5 1/2 Wochen
komme aus eigener Kraft nicht mehr hoch. Ich hoffe, dass es keiner merkt und verhalte mich ganz still. Ich überlege wie ich die Stöcke einsetzen muss um wieder auf die Beine zu kommen. Aber das Gewicht des Rucksacks zieht mich immer wieder runter. Ruddi beobachtet mein illustres Treiben und feuert mich an. Jetzt dreht Hermann sich um und ich wünsche mir, unsichtbar zu sein. Ich schäme mich sehr, so hilflos am Wegesrand rumzuliegen. Ich will mal wieder unter allen Umständen die Contenance wahren und schau so intelligent und lässig wie möglich aus dem Poncho. Ich versuche so zu tun, als wäre meine momentane Haltung vollkommen in Ordnung. Mein Begleiter ist im ersten Moment sehr erschrocken, eilt zu mir und fragt nach meinem Befinden. Bevor ich antworten kann reicht er mir die Hand und zieht mich hoch. Entsetzen macht sich in seinem Gesicht breit. Er fragt sichtlich geschockt: „Hast Du Dir was getan? Warum sagst Du denn nichts, wenn Du hinfällst?“ Meine prompte und betont ruhige Antwort lautet: „Ich glaub, ich hab mir den Poncho versaut.“ Hermann prustet los und sagt: „Das hör ich doch nicht richtig. Du steckst seit Tagen bis zu den Knien im größten Dreck und es interessiert Dich nicht die Bohne. Und wenn Du hinfällst machst Du Dir Gedanken um Deinen Poncho? Das glaub ich ja nicht?!“ Wir kriegen uns lange Zeit nicht wieder ein vor Lachen. Ich habe mir natürlich nicht wehgetan, es war ja ein Zeitlupen-Sturz.
In Zuriaín gehen wir in einen Tante-Emma-Laden um Hundefutter, ein Baguette, Wurst und Käse zu kaufen. Hermann sucht außerdem nach breitem Klebeband um Ruddi’s Tasche, die sich immer mehr auflöst, zu kleben. Die freundliche Verkäuferin, versteht nicht, was wir von ihr wollen. Also zeige ich ihr den Ruddi-Rucksack mit seinen aufgelösten Nähten und geknoteten Schultergurten. Sie stellt das Wrack auf die Kassentheke und betüddelt zuerst einmal mein Hundekind. Dann drückt sie Hermann eine Rolle Klebeband in die Hand. Er umwickelt mehrfach damit die Tasche, als müsse sie fünfzig statt fünf Kilo aushalten. Das Klebeband ist eine Spende des Hauses. Auch hier dürfen wir die selbstlose Hilfe einer Spanierin genießen. Vielen Dank dafür!
Da im Moment sogar ein bisschen die Sonne scheint, entscheiden wir uns gegen eine Bar und finden einen schönen Platz in der freien Natur an dem wir unser kleines Picknick veranstalten können. Hier wird gerade eine Garage oder ähnliches gebaut. Die Handwerker sind nicht da und die kleine Baustelle ist nicht abgesperrt. Wir machen es uns auf einem langen Brett, das beidseitig mit Steinen unterlegt ist, gemütlich. Nachdem ich Ruddi mit Leckerchen und Wasser versorgt und seine Decke ausgebreitet habe, bereitet mein Pilgerfreund uns das Mahl. Lecker! Und urig!
Nach Dreiviertelstunde lösen wir die gemütliche Runde auf und setzen unseren Weg fort. Der Himmel hat sich wieder verdunkelt. Hermann rät mir schon mal den Poncho über den Rucksack zu legen, weil mit dem nächsten Windstoß ein Unwetter auf uns einprasseln könnte. Das käme hier in den Bergen von jetzt auf gleich. Da ich jetzt keinen Regen haben will, denke ich gar nicht daran, den Wettergott herauszufordern. Der sieht meinen knallroten Poncho doch sofort und erinnert sich an seine Aufgabe uns nass zu machen. Bevor ich es zu Ende denken kann, kommt die von Hermann prophezeite Bö und mit ihr ein Hagelschauer, wie ich ihn noch nicht erlebt habe.
Das ging blitzschnell - im wahrsten Sinne des Wortes. Blitz und Donner sind auch dabei. Obwohl ich ebenso trotzig war bleibt Hermann hilfsbereit, holt hektisch mein Regencape aus dem unteren Rucksackfach und versucht es mir über den Kopf zu ziehen. Dafür muss er das Ding erst mal so weit in den Griff bekommen, dass ein Einstieg überhaupt möglich ist. Der Sturm ist so stark, dass der Poncho sich wie ein wildgewordenes Eichhörnchen aufführt. Er zappelt wild herum, will überall hin, nur nicht über meinen Kopf. Wir müssen gegen das Wetter anschreien, um uns zu verständigen. „Ja!... Ja! Komm durch!“ schreit mein Freund gegen den Wind. Ich stecke irgendwo in dem flatternden Etwas fest und kann keinen Ausgang entdecken. Ich höre ihn und sehe an seinen tänzelnden Füßen wie verzweifelt er draußen an der Front für mich kämpft. Ich mach mir gleich in die Hose vor Lachen. Nun scheint mein Kopf einen „Rausweg“ gefunden zu haben. Aber warum ist das so eng? Hermann feuert mich an, als stünde ich kurz vor einem Weltrekord: „Ja! Los,
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