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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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kein sicherer Hafen, nein.
    Ein wunderschönes Gebäude, das war es. Ein wunderschönes Gebäude, welches er über viele Jahre seine Heimat genannt hatte. Es waren glückliche Jahre gewesen, das musste er zugeben. Doch das Glück war niemals echt gewesen. Er hatte viel gelacht, doch einen Grund dafür hatte es im Institut nur sehr selten gegeben. Er hatte sein Leben als normal erachtet. Es war das einzige Leben gewesen, das er kannte. Frei war er niemals gewesen, aber das hatte ihn damals nicht interessiert. Er war der Beste gewesen, und der Stolz, der Ruhm, die Anerkennung, die mit dem Status des besten Fängers aller Zeiten einhergingen, hatten gereicht. Er war jung gewesen. Damals. Das war der ganze Zauber gewesen.
    Im Institut wurde niemand je älter, niemand wuchs aus seiner Aufgabe hinaus, niemand entwickelte ein Gewissen. Alle führten die Befehle aus, niemand hinterfragte sie. Jeder hatte ein Herz, doch sein Schlagen war der Klang der Schwäche, den man leugnete. Leugnen musste. Man arbeitete. Man erfüllte seinen Zweck und man liebte es.
    Es war die Gesamtheit dessen gewesen, wofür er lebte und wofür er sterben wollte. Niemand wurde jemals älter im Institut. Matthew Delaware schon.
    Aus diesem Grund hatte er es verlassen, hatte sein Leben über die Aufgabe gestellt. Sein Leben war ihm wichtiger gewesen als seine Ideale, für die er Jahr um Jahr gekämpft hatte. Nun war sein Leben verwirkt. Er atmete schneller und unruhig, nicht durch den schnellen Lauf oder die kalte Luft, sondern einzig und alleine durch den Albtraum, welcher sich allmählich vor ihm materialisierte. Die Umrisse des Instituts, die sich dunkel vom Schneetreiben abhoben und bedrohlich in den Himmel ragten.
    Ohne dass er es gewollt hätte, legte sich ein spöttisches Grinsen auf seine schmalen Lippen.
    »Willkommen zu Hause, Matt.« Er lachte innerlich auf, und selbst seine Gedanken troffen nur so vor Ironie. Langsamen Schrittes überbrückte er die letzten Meter zwischen sich und dem riesigen Gebäude, gefüllt mit Hunderten von Seelen, die nur allzu erpicht darauf sein würden, ihn zu zerreißen.
    Matt legte den Kopf in den Nacken. Er blickte nicht am Gebäude hinauf, wie er es als Kind so oft getan hatte. Seine Aufmerksamkeit galt ganz den Schneeflocken, die nun wieder Flocken waren, keine Geschosse mehr. Sie prasselten nicht länger nieder, sondern tanzten zur Melodie seines sich beruhigenden Herzschlages.
    Schnee im November, und das in London. Selbst wenn es jemanden auf dieser Welt gäbe, der ihn als vermisst melden würde, oder selbst wenn in diesem Moment jemand hinter den Rollläden der benachbarten Häuser hervorlugen würde, wäre sein Augenmerk einzig und alleine auf das ungewöhnliche Wetter gerichtet. Kein Mensch würde auf ihn achten, doch Menschen waren es auch nicht, die Matthew Delaware fürchtete.
    Es schneite und schneite, und die Kinder würden bald hinausstürmen und die Stadt mit Schneeballschlachten und Iglus überziehen. Und Schneeengeln. Was passend war. So passend, dass ihm vor Furcht die Tränen in die grauen Augen stiegen und er vor der schweren Holzpforte auf die Knie sank.
    Was waren schon ein paar Fußabdrücke im Schnee, ein paar Kondenswolken oder Blicke über die Schulter, wenn das Blut eines Engels an deinen Händen klebte?

1
    Grace
    London, das Institut
    Um genau zu sein: zwölfter Stock, sechste Tür rechts, in einem Büro, das größer ist als die meisten Wohnungen. Klingt das nicht furchtbar wichtig?
    Wenn ich jetzt noch beginne, von meinem großen, polierten Schreibtisch mit Blick über ganz London bei Nacht zu berichten, habe ich wahrscheinlich sämtliche Sympathien verloren. Allerdings, das muss ich zugeben: Wäre ich sympathisch, hätte ich es wahrscheinlich nie so weit geschafft.
    Schicke Einrichtung, teure Autos, exquisites Essen, perfekte Kleidung (auch wenn Letztere während meiner Arbeitszeit den gebügelten hellblauen Blusen und schwarzen Röcken des Instituts weichen muss), das alles ist toll, aber sympathisch bin ich deshalb wirklich nicht. Früher war ich immer diese schüchterne, verbissene Art von Person, die ihr komplettes Leben auf ein Ziel ausrichtete. Das hat sich im Wesentlichen auch nicht verändert.
    Mein Traum war einfach.
    Ich wollte möglichst der gesamten Welt meinen Stempel aufdrücken.
    Meine Welt war das Institut und der Mittelpunkt meiner Welt mein Büro, die Schaltzentrale des ganzen kleinen Universums, das ich um mich herum erschaffen hatte. Gekrönt wurde diese

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