5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
besser gewusst, hätte sie geglaubt, dass es ihr eigener Name war. Doch das war Unsinn. Wieso sollte ihre Mutter ihr etwas wie ihren eigenen Namen vorenthalten?
»Persephone?«
Corrie öffnete die Augen und sah Aides vor sich knien. Er strahlte sie an und nahm ihr Gesicht in seine Hände.
»Ich wusste, du erinnerst dich. Niemand wird dich mir je wieder wegnehmen. Keine Titanenmagie, keine Furie, die sich Göttin der Natur nennt. Wir werden für immer zusammen sein.«
Corrie stockte der Atem, als sie die Angst ergriff.
»Wovon redest du?« Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen. Aides runzelte die Stirn und ließ die Hände langsam fallen.
»Du erinnerst dich immer noch nicht? Nein, sag mir, dass das nicht wahr ist. Persephone, du musst dich erinnern!« Corrie schob ihren Stuhl zurück und trat einen Schritt von ihm weg.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, versuchte sie, ihn zu beruhigen, während sie den Weg zurück ins Innere der Wohnung suchte. Aides ballte die Fäuste und schlug mit einem schmerzerfüllten Schrei gegen die Wand des Balkons. Corrie schrak zusammen und starrte ihn einen Moment lang sprachlos an.
Als sie wieder zu Sinnen kam, rannte sie zurück ins Wohnzimmer und aus der Wohnung nach draußen. Sie rannte aus dem Haus und durch die Straßen. Anzuhalten, um ein Taxi zu rufen, wagte sie nicht. Corrie hielt erst an, als ihre Lunge anfing zu schmerzen. Die Straßen waren um diese Zeit noch recht belebt, und als sie sich umdrehte, um sicherzustellen, dass Aides ihr nicht gefolgt war, konnte sie nicht ausschließen, ihn irgendwo übersehen zu haben.
Sie wollte weitergehen, doch ihr Kopf begann wieder zu schmerzen, und sie stützte sich an einer Hauswand ab. Bilder kamen ihr in den Sinn. Eine paradiesische Landschaft, eine Wiese voller Blumen. Lachende Mädchengesichter, die sie umringten. Ein Mann, schöner als jede Statue, jedes Gemälde. Schwarzes Haar, steingraue Augen.
Corrie schüttelte den Kopf und öffnete ihre Augen. Sie musste nach Hause. Wenn sie sich nicht beeilte, würde sie womöglich noch hier auf der Straße zusammenbrechen.
Granatäpfel und Asphodelen schwirrten durch ihre Gedanken. Das Wissen, zu Hause zu sein. Corrie drückte mit den Fingern gegen ihre Schläfen und rief sich schließlich doch noch ein Taxi.
***
Erschöpft stieg Corrie zu Hause aus dem Wagen. Bereits bevor sie die Haustür geöffnet hatte, hörte sie laute Stimmen aus dem Inneren an ihr Ohr dringen. Besorgt schloss sie die Tür auf und trat ein. »Ma?«
Die Stimmen verstummten für einen Moment. Demi kam aus dem Wohnzimmer in den Flur.
»Ist alles in Ordnung? Du siehst so gehetzt aus.«
Ehe ihre Mutter antworten konnte, trat ein Mann hinter ihr aus dem Wohnzimmer. Er überragte ihre Mutter um mehr als einen Kopf. Breitschultrig stand er im Flur und sah mit zusammengezogenen Brauen auf ihre Mutter herab.
»Sag es ihr«, forderte er.
»Ich kenne Sie.« Corrie war davon überzeugt. Sie wusste nicht woher, konnte ihn nicht zuordnen, ihm keinen Namen geben, aber sie wusste plötzlich mit absoluter Sicherheit, dass sie diesen Mann schon einmal gesehen hatte.
»Corrie, bitte, das ist doch Unsinn. Ihr habt euch noch nie gesehen.« Demi machte einige Schritte auf ihre Tochter zu, doch ohne es zu bemerken, wich Corrie vor ihr zurück. Langsam wanderte ihr Blick von dem Fremden zu ihrer Mutter und blieb an ihrem Gesicht haften. Sie sah angespannt aus – und wütend.
»Corrie?«
Nicht einmal einen Namen hat sie mir gegeben. Kore, ihr Mädchen. Mehr bin ich nicht.
»Corrie? Rede mit mir, starr mich nicht einfach so an.«
»Persephone«, flüsterte Corrie, und erneut brach dieser elende Schmerz in ihrem Kopf über sie herein.
»Corrie!«
Als sie zu Boden sank, die Handballen gegen ihre Schläfen gepresst, war Demi sofort an ihrer Seite.
»Corrie?«
›Ich verstehe einfach nicht, was du falsch machst.‹
›Da ist doch nichts dabei, wieso machst du es dir denn so schwer?‹
›Kore, wo bleibst du? Die Blumen wachsen nicht von allein.‹
›Heiraten? Ich denke nicht. Wozu solltest du heiraten wollen? Dein Platz ist hier, an meiner Seite. Nun hilf mir mit den Blumen.‹
›Wie froh ich bin, dich wiederzuhaben, meine Kore, mein liebes Kind. Wie schrecklich es dir dort unten ergangen sein muss. Oh, du musst mir nichts sagen, ich weiß, was für ein Scheusal Hades ist. Aber jetzt bist du in Sicherheit. Bei mir.‹
»Corrie?«
Sie stieß die Hand ihrer Mutter zur Seite und richtete sich langsam
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