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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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hängt und alles tun würde, um seine Existenz zu verlängern. Nur wenige lebende Seelenfänger sind in der Lage, alle Seelen, unabhängig von der geistigen Verfassung des Menschen, einzufangen.
    Womit wir auch schon beim nächsten Punkt wären: Nur, weil ich eine Seelenfängerin bin, bedeutet das nicht, dass ich Hörner, einen Schwanz oder Flügel habe. Mich umgibt weder Höllenfeuer noch kann ich es blitzen lassen. Ich bin genauso feminin und normal wie jede andere Frau. Ich liebe Schokolade und Schuhe und Bettwäsche mit Rosenduft, auch wenn ich in letzter Zeit so gut wie nie Zeit in meinem Bett verbracht habe. Nicht nur, dass der Arbeitsalltag der Seelenfänger erst in tiefster Nacht zu Hochform aufläuft, ich bin auch als Chefin des Instituts London für jeden der dreihundertdreiunddreißig Fänger zuständig. Inklusive langfristiger Planung. Inklusive Bezahlung. Inklusive internationaler Zusammenarbeit der Fänger. Und inklusive der Zusammenarbeit mit den Gefallenen.
    Die Gefallenen sind neben uns Fängern, den Menschen und den Engeln die vierte Partei, mit der man immer rechnen muss. Zugegeben, wir sind die schwarzen Schafe der Familie, doch wer von Engeln die lieblich leuchtenden Bilder vor Augen hat, die man aus Kirchen kennt, irrt sich gewaltig. Die Engel sind genauso kompromisslos in ihren Entscheidungen wie wir. Sie genießen lediglich ein positiveres Ansehen, weil sie die netten Aufgaben zu erledigen haben. Wenn die Menschen wüssten, was ihnen blühen würde, wenn wir unserem Job nicht nachkämen, wären wir es, die sie anhimmeln würden. Doch so wird es niemals sein, und die Engel wissen das.
    Für mich sind sie nur ein versnobter Haufen perfekter Cousinen und Cousins, mit denen man verglichen wird. Glücklicherweise sind auch die Engel nicht fehlerfrei, an welcher Stelle die Gefallenen ins Spiel kommen. Wieso Engel im Laufe der Geschichte immer wieder buchstäblich vom Himmel fielen, verraten sie nie. Fakt ist jedoch, dass es über die Jahre verdammt viele wurden. Und dass sie alles tun, um Gott von ihrem geläuterten Willen und ihrem grenzenlosen Gehorsam zu überzeugen. Ständig tauchen die Engel bei uns auf. Mit Listen. Listen voller böser Menschen, die wir ihrer Meinung nach auslöschen sollen.
    Listen!
    Herrgott, ich fühlte mich langsam, als würde ich nicht für Gott arbeiten, sondern für den Weihnachtsmann. Du warst böse? Dann kommst du auf die Liste. Du bist alt und gebrechlich? Auf die Liste mit dir.
    Einerseits war es wirklich hilfreich, nicht ständig selbst auf die Suche nach Verbrechern und geistig Kranken gehen zu müssen. Die meisten Seelenfänger geraten jedoch auf jene Art mit den Engeln aneinander, die Hunde dazu veranlasst, Katzen durch ganze Stadtteile hindurchzujagen. Ich hatte nichts gegen die Gefallenen. Was mir allerdings tierisch auf die Nerven ging, war jede Art von Einmischung.
    Die Gefallenen sind notorische Einmischer, weshalb es im Institut niemals langweilig wird.
    Ich würde jedoch ohnehin nicht an Langeweile sterben, sondern an Übermüdung. An diesem Abend fühlte sich mein Kopf an, als hätte ich nächtelang durchgemacht, und wahrscheinlich hätte ich einen Kalender gebraucht, um herauszufinden, wann ich das letzte Mal mehr als sechs Stunden geschlafen hatte. Was ich jedoch mit Sicherheit wusste, war, dass ich mich nicht ewig in meinem Büro verschanzen konnte, denn es war schon fast halb drei, was bedeutete, dass die erste Schicht nun wiederkommen würde und die zweite sich gerade zum Aufbruch bereit machte. Es waren sicher mindestens sechs Gefallene im Gebäude, und Liza erledigte gerade die Inventur.
    Wäre ich eine schlechte Chefin, würde ich schon alleine wegen des Themas Inventur auf eine schreckliche Krankheit verweisen und mich in meinem Büro verschanzen. Unglücklicherweise war ich keine schlechte Chefin. Außerdem hatte Liza eigentlich immer Schokolade in ihrer putzigen roten Handtasche, und Schokolade war eine riesige Antriebskraft. Zudem war es ja auch genau das, was ich wollte. Ich wollte nach ganz oben und da war ich. Im zwölften Stock, über mir nur noch das begehbare Dach, auf dem die Gefallenen zur Landung ansetzten. Jedes Zimmer stand mir offen, jeder Angestellte hörte auf mich. Erhaben und privilegiert. Aber zufrieden? Manchmal auch zufrieden, aber niemals heimisch.
    Schwachsinn! Ich war überarbeitet und übermüdet. Sonst nichts.
    Wie zur Bestätigung gähnte ich, was sehr nach einem sterbenden Tier klang, und begann, mir die Schläfen zu

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