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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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seinem russischen Akzent. Er saß noch immer auf seinem Thron, doch er war um keinen Tag älter geworden. Mein Schrei blieb mir im Halse stecken, als ich ihn da am Ende eines großen Tisches sitzen sah, umgeben von zwei äußerst zwielichtigen Söldnern. Es war ungerecht, dass er lebte und Oscar tot war. Dieser Gedanke war kindisch, doch ich wünschte wirklich, es wäre andersherum gewesen.
    Oscar war als Leiter des Instituts perfekt gewesen, und obwohl er streng und vollkommen zielorientiert war, wurde er von allen vergöttert. Zwar hatte er mich oft und hart bestraft, doch war er mir gegenüber niemals grausam gewesen und hatte selbst seinen Feinden stets Respekt und Anstand entgegengebracht. Er war es, der mich und Matt aufgenommen und zu den besten Fängern Englands ausgebildet hatte, obwohl alle ihm davon abgeraten hatten.
    Für einen Fänger war es immer gefährlich, sich seine Nachfolger selbst zu suchen. Viele endeten mit einem Messer im Herzen. Einer derjenigen, die Oscar in dieser Sache am stärksten beeinflussen wollten, war Mikael. Er war immer der Ansicht gewesen, wir würden seinen Bruder nur ausnutzen und seinen Tod geradezu herbeisehnen. Oscars Tod und mein Aufstieg zur Leiterin hatten ihm selbstverständlich recht gegeben, und wenn es noch einen Zweifel an unserer verderbten Natur gab, dann hatten Matts Verrat und Flucht diesen ausgeräumt.
    »Für dich immer noch Miss Darcy, Mikael. Ich bin geschäftlich hier.«
    Sofort verengten sich seine Augen, die von demselben dunklen Grau waren wie die seines Bruders. Selbst für Zwillinge sahen sie sich frappierend ähnlich mit ihren breiten Schultern, der dunklen Haut und dem breiten Mund. Oscars Lippen waren immer zu einem leichten Lachen verzogen gewesen. Ansonsten konnte ich sie nur an ihren Haaren unterscheiden, da sie zwar vom selben dunklen Grau waren, doch Oscar hatte seine Haare immer kurz getragen, während Mikaels Mähne lang und ungepflegt war.
    »Gut«, raunte er und bedeutete den beiden Söldnern zu verschwinden. Kaum hatten sie die Tür geschlossen, trat ich auf Mikael zu.
    »Grace, wenn du glaubst, mich wegen meines Untertans maßregeln zu müssen, irrst du dich.«
    Erschreckenderweise klang selbst mein Name aus seinem Mund wie ein Schimpfwort. »Leider gehen dich meine Angelegenheiten überhaupt nichts an.«
    Mit einem schnellen Satz in seine Richtung überbrückte ich den Abstand zwischen uns und setzte mein Messer an seinen Hals.
    » ICH bin die Leiterin des Instituts London, ob es dir passt oder nicht. Deine illegalen Machenschaften sind mir schon lange zuwider, und dass ich dich gewähren lasse, wird bald ein Ende haben.« Mit einer gewissen Genugtuung stellte ich fest, dass ich doch nicht alles verlernt hatte. Auch wenn mein Erfolg dadurch gemindert wurde, dass er roch, als hätte er mehr als genug Alkohol intus, um beim geringsten Kontakt mit Feuer in die Luft zu gehen, und mich dieser Geruch fast verleitete, vor seine Füße zu kotzen. Die Tatsache, dass meine Hand fast angefangen hätte zu zittern, als ich das Messer an seinen verschrumpelten Hals hielt, trug nicht zu einem souveränen Auftritt bei.
    Mikael schien dies ähnlich zu sehen, denn er lachte. »Ich glaube, wir reden von verschiedenen Instituten, Teuerste. Ich kenne in London nur ein einziges, und das hat keinen Leiter mehr, sondern nur ein dahergelaufenes Gossenkind, das Leiterin spielt.«
    »Wie schmachvoll es wohl für Mikael Abrahms sein wird, wenn eben dieses Gossenkind ihn absticht wie ein Schwein«, raunte ich und presste das Messer fester an seinen Hals. Einem verhassten Feind ein Messer an den Hals zu legen, war in jedem Fall ein gutes Mittel zur aktiven Stressbewältigung. Und doch konnte ich es kaum noch in den Händen halten, als er seinen Hals absichtlich ein kleines Stückchen in die Klinge presste und mich dabei zornerfüllt ansah.
    »Du meinst, ebenso, wie du meinen Bruder abgestochen hast?«
    Natürlich war sein Vorwurf absolut haltlos, schon alleine dadurch, dass Oscar eines natürlichen Todes gestorben war. Und doch warf er mich vollkommen aus der Bahn. Dass es Leute gab, die glaubten, dass ich in der Lage wäre, meinen eigenen Mentor umzubringen. Ohne es zu wollen, musste ich wieder an Matts Worte denken, ich sei eiskalt geworden …

5
    Grace
    London, eine ominöse Hütte
    Mikael lachte schallend auf, und ich putzte mein Messer an seinem dreckigen Hemd ab.
    »Ich habe keine Zeit für deine Spielchen«, entgegnete ich, als ich mich wieder gefasst hatte,

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