5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
insoweit Recht, als Engel einen Vertrag niemals brechen konnten. Ob das Matts Problem löste, war eine andere Sache. Das Problem mit den Gefallenen würde eine Auslieferung jedenfalls nicht lösen, so viel war klar. Matts Tat hatte ein Einschreiten der Engel gegen uns sogar legitimiert. Wenn wir es allerdings wirklich schafften, Matt als Einzeltäter darzustellen, konnten die Engel uns dafür nicht zur Rechenschaft ziehen, und wegen ihrer Abneigung gegen die Gefallenen durften sie nicht gegen uns vorgehen. Sie suchten wahrscheinlich seit Jahren einen Grund, und Matt hatte ihnen jetzt einen geliefert. Was gut war, denn nun waren wir am Zug. Wäre es nicht Matt gewesen, hätte es früher oder später jemand anderes getan. Dann wären wir unvorbereitet gewesen. Jetzt waren wir vorbereitet. Matt musterte mich ungläubig, als ich begann, zu lächeln.
»Mein Talent, jeder verdammten misslungenen Aktion noch etwas Gutes abzugewinnen, rettet mir gerade den Tag«, erklärte ich und mir wurde bewusst, dass ich absolut keinen Alkohol gewohnt war. Ich atmete noch einmal durch und richtete meine Bluse, ehe ich auf den Knopf des Lautsprechers drückte, was natürlich vollkommen sinnlos war, denn über Lautsprecher sah niemand, ob meine Bluse richtig saß. Aber was soll ich sagen, ich bin eben eine Frau.
»Wichtige Durchsage an alle Mitarbeiter und Fänger des Instituts London. Wie ihr bereits wisst, befinden wir uns in Alarmbereitschaft. Trotzdem wird keiner von euch gegen die Engel vorgehen. Morgen nehmt ihr das Tagesgeschäft ganz normal wieder auf. Ich bitte darum, keinerlei Abweichungen von der täglichen Routine vorzunehmen. Alle notwendigen Vorkehrungen werden getroffen. Jede Missachtung meiner Befehle sehe ich als persönlichen Angriff, und ich werde mit aller Entschlossenheit dagegen vorgehen. Da ich am morgigen Tag voraussichtlich nicht zugegen sein werde, übertrage ich meine Handlungsgewalt auf Miss Liza Preston. Jede Missachtung ihrer Befehle sehe ich als Missachtung meiner Befehle. Sollte es zu irgendeiner Art von meldungspflichtigen Vorfällen kommen, wendet ihr euch an Miss Liza Preston oder als Gefallene an den Engel Cassriel. Der ehemalige Fänger Matthew Jason Delaware genießt bis auf Weiteres meine Gastfreundschaft. Vorerst. Ich wünsche kein regelwidriges Vorgehen gegen ihn. Vorerst. Eine gute Nacht, Ladies und Gentlemen.«
Fast hatte ich das Gefühl, den Tumult unten zu hören. Ich stellte mir Liza vor, die versuchte, sich einen Weg nach oben zu bahnen, und wie überall Türen aufgerissen wurden. Aufgerissen von empörten Seelenfängern, die Liza mit ihren Beschwerden bombardierten. Ich selbst hätte die Tür aufgerissen, wäre ich an ihrer Stelle gewesen.
»Wir werden uns also morgen auf die Suche nach dem Vertrag machen?«, fragte Matt.
» ICH werde mich morgen auf die Suche nach dem Vertrag machen«, verbesserte ich zuckersüß.
»Du MUSST mich mitnehmen.«
»Ich muss gar nichts. Oder gibt es noch etwas, das ich wissen sollte?«
Er schwieg.
Eine große Last ruhte auf meinen Schultern, die er noch erschwerte. Morgen würde ich den Vertrag suchen. Wenn ich ihn nicht fand, dann würde ich ihn ausliefern müssen. Als ich mir gerade das zweite Glas Wein eingoss, kam Liza mit den beiden Security-Leuten herein. Sie trug einen ganzen Stapel voller Dokumente bei sich. Und eine Tafel Schokolade. Sie war unersetzlich.
»Sperrt ihn in den Kerker«, wies ich die Security an, und Matt machte große Augen.
»Verdammt, Grace! Deine Welt hier drin ist ja schön und gut, aber es ist nicht die echte Welt! Du wärest doch nicht mal mehr in der Lage, eine Seele einzufangen, wenn es darauf ankäme!«
Auch wenn seine Worte mich wie ein Messer trafen, war da keine Boshaftigkeit in seinen Augen. Da war ehrliche Sorge, die fast noch mehr wehtat.
Das Einzige, was mich jetzt aufheitern konnte, war Arbeit. Nachdenklich nahm ich die Papiere aus Lizas Händen und begann, sie zu lesen.
Tagesberichte. Mehr Tagesberichte. Beschwerdebriefe. Tagesberichte. Rechnungen. Meine Scheinidentität ist umgezogen . Rechnungen.
Matt flehte mich an, ihm zuzuhören, doch ich tat es nicht.
Liza redete, doch ich hörte nicht zu.
Ich sperrte ihn ein.
Genauso wie ich die Erinnerungen an ihn in meinem Herzen eingesperrt hatte.
Und dann hatte ich es eingefroren. Vielleicht war es sogar zerbrochen.
Nun konnte ich nur noch beten, dass die Stücke zu klein waren, als dass er sie wieder zusammensetzen konnte. Denn ich würde das, was er mir
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