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5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)

Titel: 5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: e-book LYX
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denken.
    Matt schien ernsthaft zu überlegen, und fast glaubte ich, er habe meine Gedanken erraten. »Nein«, antwortete er nach einer Weile bestimmt. »Aber ich bin schon viel näher dran.« Darauf konnte ich nur schweigen. Und er schwieg auch. Es war schon früher oft so gewesen, dass wir gemeinsam einsam waren.
    »Dann halt das Frage-Antwort-Spiel«, sagte er schließlich, und ich musse wohl ein sehr, sehr dummes Gesicht gemacht haben, denn er lachte laut auf. »Das habe ich vermisst«, flüsterte er mit dieser rauen, nachdenklichen Stimme.
    »Ich habe das Gefühl, nichts mehr über dich zu wissen, Gracy. Du verhältst dich so fremd.«
    »Was willst du denn wissen?« Bedauerlicherweise hatte er recht, was das Stadium meiner Betrunkenheit anbelangte, aber glücklicherweise wusste ich nicht einmal mehr genau, wieso ich so unglücklich war.
    »Lieblingsfarbe, Lieblingsessen, Lieblingswetter. Grace, egal was, aber ich will, dass du mit mir redest. Du musst wieder anfangen, mir zu vertrauen. Wir brauchen das vielleicht nicht einmal für das Geschäft, aber ich wünsche es mir. Das, was war, das alles tut …«
    Tut mir leid? Wenn er es sagen wollte, tat er es nicht.
    »Du solltest mir nicht vertrauen, Matt.«
    »Ich vertraue der Gracy, die ich kannte.«
    Ohne es zu merken, zuckte ich zusammen und musste mich beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen. Die Gracy, die er kannte, hätte ihn nicht verraten. Sie wäre nicht einmal alleine zu Mikael gegangen.
    »Ich weiß rein gar nichts über dich, Matt. Ehrlich gesagt bin ich nicht mal sicher, ob ich die Person gekannt habe, die du mal warst.«
    »Mich kennt niemand«, antwortete er.
    Ohne zu überlegen sagte ich das eine, was ich immer schon sagen wollte, seit er verschwunden war.
    »Ich hätte die Eine sein können, Matt. Die Eine, bei der es anders gewesen wäre. Aber du bist verschwunden. Freiwillig und ohne ein Wort, eine Erklärung. Ohne einen Abschiedskuss. Einen Kuss, der ein Leben lang reicht. Warum?«
    Ja, ich hatte gehofft, dass er mir die Wahrheit sagte. Dass Oscar ihm verboten hatte, mir von seinen Plänen zu erzählen. Dass er es mir hatte sagen wollen. Aber er schwieg. Seine Loyalität war noch immer größer als das, was er damals für mich empfunden hatte. Doch diese Loyalität war es, für die ich ihn geliebt hatte. Meine Loyalität hingegen würde sein Schicksal gegen das unsere eintauschen. Weil seine Loyalität uns allen die Chance gab, uns zu retten, und nur das Herz eines dummen Mädchens brach. Meine Loyalität hingegen würde ihn umbringen. Und mich gleich mit.

10
    Hachael
    London, das Dach eines Hochhauses
    Hachael wollte seinen Augen nicht trauen. Er konnte verstehen, dass Meisterin Gaiya die Fänger hasste. Doch niemals hatte er geglaubt, dass es so schlimm war. Immer hatte er gedacht, dass sie wegen ihres persönlichen Schicksals nicht länger objektiv war, nahezu vom Hass zerfressen.
    Natürlich hätte er seine Ansichten bis ans Ende der Welten für sich behalten, schließlich stand ihm Ungehorsam nicht zu. Gaiya sagte stets, dass die Fänger fast so schlimm seien wie die Gefallenen. Diese niederen und wertlosen Geschöpfe, welche die Bezeichnung Engel nicht mehr verdienten. Er hatte das immer als leere Worte einer alternden Königin aufgefasst.
    Nun war er mehr als je zuvor von der neuen Mission überzeugt. Das Einzige, was ihn, wenn überhaupt möglich, noch mehr abstieß als die Leitern, die mit dem Engelsmörder aus diesem Sammelbecken menschlicher Trunkenbolde und gescheiterter Existenzen gestolpert kam, war ihre kleine verräterische Freundin, die da unterwürfig auf dem Dach des Hochhauses kauerte.
    »Wie ich bereits sagte, Sir. Sie versteckt ihn hier und ich schwöre, dass sie gemeinsam Pläne schmieden.«
    »Schweig«, säuselte der jüngste der Engel der Fängerin zu, und sie zuckte zusammen beim wohlklingenden Ton seiner Stimme. Eine der himmlischen Stimmen, welche nur wenige Sterbliche jemals zu hören bekommen. Wenngleich ihm die Zusammenarbeit mit Verrätern zutiefst widerstrebte, so konnte er nicht leugnen, dass sie recht zu haben schien. Die Leiterin, wie sie da am Arm des Mörders torkelte. Da war unweigerlich eine Verbindung zwischen ihnen, das spürte er bis in seine durchgeweichten goldbraunen Flügelspitzen. Die Fängerin betrachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkeln und öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen.
    »Schweig«, kam Hachael ihr zuvor. Wie leicht es für ihn gewesen wäre, ihre schmale Kehle

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