5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
zuzuschnüren. Er bräuchte nicht einmal seinen kleinen Finger zu krümmen.
Er verabscheute Verräter, und diese war der beste Beweis dafür, wie tief die Fänger gesunken waren, wenn sie inzw ischen ihre eigenen Ka meraden ans Messer lieferten. Zuerst war Hachael gar nicht angetan von dem Plan Gaiyas gewesen. E r empfand es als ganz und gar falsch und der Elitefänger, die ser Matthe w Delaware, der freiwillig zu ihnen gekommen war und seine Dienste angeboten hatte, hatte ihm recht gegeben.
Wenn er jetzt sah, wie er sich da unten mit der Feindin im Arm seinen Weg durch die Straßen bahnte, wie er sie schützend, fast liebevoll hielt, während sie aussah, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen …
Ihm wurde einfach nur schlecht angesichts einer so großen Verderbtheit. Gaiya hatte es von Anfang an geahnt, doch niemand hatte ihr geglaubt. Wenn er daran dachte, dass er mit diesem Spitzel an einem Tisch gesessen hatte …
Und dann klebte auch noch das Blut eines Engels, das Blut eines seiner Brüder an den Händen dieses Bastards. Nur schwerlich konnte er sich beherrschen, sich nicht vom Rand des Hochhauses zu stürzen. In wenigen Sekunden wäre er dort und sie wären tot, noch ehe sie ihn bemerkt hätten.
Und zu diesem Abschaum von einer Leiterin fiel ihm noch weniger ein. Wie sie da vollkommen unbeherrscht und angetrunken im Arm des Verräters lag. Oscar Abrahms hatte er ernst genommen, denn er war ein Mann von Ehre. Diese Frau jedoch, die den Mörder beherbergte und die Engel hintergehen wollte, war keinen zweiten Blick wert. Gaiya hatte ihren Hass in den Engeln gesät, und er war zu fest verwurzelten Ranken geworden. Unter normalen Umständen hätte der Anblick dieser beiden, so schutzlos, so aufeinander angewiesen, Hachaels Herz erwärmt und ihm klargemacht, dass diese Fänger keine Bedrohung für die Engel sein würden. Ach, Schwachsinn! Wer einen Engel tötete, musste sterben.
Wieso waren dann da noch Zweifel, tief in seinem Inneren? Vielleicht weil sie, wenn er ehrlich war, nicht besser waren? Weil auch sie eine Spionin bei den Fängern eingeschleust hatten, lange Zeit, bevor die andere Seite auf dieselbe Idee gekommen war? Weil sie alles taten, um die Fänger zu provozieren, damit sie eine Offensive starteten? Weil sie letztendlich sogar einen Anschlag fingiert hatten? Einen Anschlag, welchen Hachael selbst ausgeführt hatte. Doch wenn er die Fängerin, die Spionin so sah, die da neben ihm auf dem Dach kauerte, bedauerte er, sie nicht ernsthafter verletzt zu haben.
»Kelly«, raunte er und wieder zuckte sie zusammen, ehe sie sich fasste.
»Wieso genau hast du dich entschieden, sie und deine eigenen Leute zu verraten?«
Falls sie sich irgendeiner Schuld bewusst war, so zeigte sie es nicht. Diese Frau war eindeutig gefährlich.
»Verrat? Ein unschönes Wort. Es geht mir um mein Überleben, und die Fänger sind eindeutig kontraproduktiv in dieser Hinsicht. Sie sind eine aussterbende Gattung, und ich bevorzuge das Leben. Ich gehe mit der Zeit.«
Hachael musste beinahe schmunzeln. Zweifellos war dieses Weib nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und zweifellos würde es auch die Engel für ein lukrativeres Angebot verraten, daran bestand kein Zweifel. Doch im Gegensatz zu Matthew machte Kelly kein Geheimnis aus ihrem düsteren Wesen, sondern trug es offen zur Schau. In einem anderen Leben, zu einem anderen Zeitpunkt hätte Hachael diese Fängerin sogar interessiert, wenn auch nur kurzfristig. Wenigstens hatte sie ihre Aufgabe vortrefflich erledigt, das musste man ihr lassen.
Schon früher war Kelly Gaiya aufgefallen, mit ihrer unverkennbaren Abneigung gegen Oscar. Jahrelang hatte sie für die Engel spioniert und ihnen von der immer stärker werdenden Fängerin berichtet, bis Gaiya ernsthafte Bedenken an der Vorherrschaft der Engel bekam. Als dann der Spion Matthew enttarnt wurde, hatte Kelly darauf beharrt, dass er nach London zurückkehren würde. Und sie behielt Recht, mehr noch: Sie brachte Grace dazu, ihn anzuhören und zu beherbergen! Dieser Akt war unfassbar, wenn man bedachte, dass er bedeutend genug war, um einen Krieg zu begründen.
Ja, Kelly hatte eine wichtige Rolle in diesem kleinen Spiel gespielt, das musste man ihr lassen. Dass sie sich letztendlich auch noch hatte verletzen lassen, war das große Finale gewesen. Hachael lächelte sie anerkennend an, und sie schenkte ihm aus Dankbarkeit ein nicht minder freundliches und eindeutig laszives Lächeln. Fast schon bedauerte er es,
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