5 Jahre - 5 Geschichten: Die besten Storys aus dem LYX-Schreibwettbewerb (German Edition)
hatte uns geliebt und benutzt. Matt wollte mir sagen, dass er uns verlassen wollte. Oscar hatte uns benutzt, weil ihm das Institut wichtiger war als wir. Das Institut wird brennen. Ich war nur die Notlösung gewesen. Es hätte immer Matt sein sollen. Ich war nur kalt und rational zu gebrauchen. Er hatte uns geliebt und missbraucht. London wird brennen . NEIN . Ich würde Matt ausliefern. Er hatte mich geliebt. Doch er war loyal und seine Loyalität war ihm wichtiger als ich gewesen.
Er hat mich geliebt. Ich würde ihn ausliefern. Das Institut liebte ich mehr …
7
Grace
London, eine Parkbank
Londons Regen hatte durchaus auch positive Seiten. Im Regen sah man Tränen nicht. Der Regen schmolz den pappigen Schnee. Im Regen war niemand draußen, der mich hätte sehen können. Der Regen hätte die Schrift weggewischt, hätte ich den Brief nicht vorher eingesteckt.
Ich musste ihn ausliefern. Matts Liebe konnte nicht groß gewesen sein, wenn ihm die Flucht vom Institut wichtiger als ich gewesen war. Es war die einzige Chance, Frieden mit den Engeln zu erzwingen. Doch er hatte mich geliebt .
Damals hätte er mir nur Bescheid zu sagen brauchen. Ich hätte ewig auf ihn gewartet. Er hätte mir nicht sagen müssen, wann er wiederkommen würde. Oder ob. Oder wieso er das Institut verlassen wollte. Ich hätte ihm blind vertraut. Seit wir Kinder waren, hatten wir die engste Beziehung gehabt. Wir waren die perfekten Geschwister gewesen. Keiner wusste, wo wir herkamen. Normalerweise werden Findelkinder von irgendeiner Fängerin aufgezogen, die gerade selbst schwanger ist und daher nicht arbeiten kann. An uns hatte Oscar einen Narren gefressen, und wir wuchsen bei ihm auf. Alle dachten, wir seien Geschwister. Wir selbst dachten es eine Zeit lang, und anfangs war nichts dabei. Wir taten alles, um Oscars hohen Ansprüchen zu genügen, und belegten mehr Kurse als alle anderen Fänger in diesem Alter. Ich war die Beste, doch Matt wurde besser. Anfangs habe ich ihn dafür verflucht, aber ich lernte, dass es keine Schande war, die Zweite nach ihm zu sein. Er war für mich in jeder Hinsicht perfekt, und ich schätzte nicht nur seinen Charakter. Ich begann, mich anders zu ihm hingezogen zu fühlen. So, wie es für Geschwister falsch war. Ich liebte die Tiefe seiner Augen und sein spöttisches Lachen, das alle Fängerinnen dazu brachte, sich in ihn zu verlieben. Niemals hatten wir uns gesagt, dass wir uns lieben. Auch dann nicht, als Oscar uns darüber aufklärte, dass wir zwar zusammen gefunden worden waren, allerdings eindeutig keine Geschwister seien. Niemals habe ich ihm gesagt, was ich damals für ihn empfand, doch wir haben unsere Zukunft gemeinsam geplant. Wir wetteiferten mit eingefangenen Seelen, um den jeweils anderen zu beeindrucken, und ja, ich merkte, dass Matt diese Arbeit nicht mehr freute. Er war zu Höherem berufen, aber das war ich auch. Ich dachte, der Posten als Leiter würde ihn ausfüllen. Unser Leben war so perfekt gewesen. Jeder einzelne Kuss war es. Ich dachte, alles sei perfekt. Und dann war er einfach verschwunden.
8
Grace
London, eine Parkbank
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich auf der Bank saß. Nach dem Zustand meiner durchgeweichten Kleidung muss es lange gewesen sein. Was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich schon wieder in der Nähe des Instituts angekommen war, als ich den Schock meines Lebens bekam. Nach einem solchen Tag, so sollte man annehmen, überrascht einen nichts mehr. Aber ein » Wohin des Weges?« tut es eindeutig schon, wenn es von jemandem kommt, der eigentlich eingesperrt sein sollte. Ich drehte mich ruckartig um und sah … »Matt?«
Er zog nur die Schultern lässig nach oben und legte den Kopf schief. Empörenderweise tat selbst der Regen seinem Aussehen keinen Abbruch.
»Dich kann man nirgendwo einsperren, oder? Wie wäre es mit Alcatraz?«
Wütend zog ich ihn in eine kleine Nische zwischen zwei Häusern und blickte mich um. Für einen Gesuchten ging er viel zu locker mit seiner Freiheit um.
»Ich habe gesagt, dass sich die Sicherheitsvorkehrungen verbessert haben. Nicht, dass sie gut sind«, lachte er, wobei ich seinen Atem an meinem Gesicht spüren konnte und mir die Nische plötzlich um einiges enger vorkam, als sie war.
»Bist du wahnsinnig geworden? Du gefährdest dein Leben. Du gefährdest unser aller Leben!«
Er legte den Kopf erneut schräg und sah in Richtung Himmel. Die Erinnerung an die drohende Gefahr ließ ihn erschaudern. Wenigstens schien er den
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