es so weiterläuft. Das freut vor allem mein Bankkonto, das ich ja immer häufiger mit dem Erwerb von Kunstbüchern belaste.
Ich habe mir übrigens ein neues T-Shirt gekauft, aber es ist nicht das Gleiche. Ich befürchte, mein Lieblings-T-Shirt verloren zu haben.
Was Maya angeht: Ich träume nur noch ab und an von ihr, dann aber umso intensiver. Vielleicht liegt es an dem einen Anruf in Abwesenheit von einer unbekannten Nummer, und ich traue mich einfach nicht, sie zurückzurufen. Ich will nicht enttäuscht werden. So lebe ich mit der Hoffnung, dass sie es vielleicht war, besser als mit der Gewissheit, sie war es nicht. Verstehst du das?
Beste Grüße,
Patenonkel Jonas
Betreff: London
Von:
[email protected] Datum: 21.07.2012, 23:27
An:
[email protected] Patrick!
Ich muss das einfach loswerden!!! Ich habe ein Jobangebot aus London bekommen und es sofort und ohne nachzudenken angenommen. Ich weiß, das wird dich überraschen, mein Lieber, vielleicht auch etwas traurig machen, aber freue dich für mich, dann fällt mir der Abschied nicht zu schwer.
Jetzt habe ich also einen Monat Zeit, um meine Wohnung und mein Leben aufzulösen. Offensichtlich bin ich als Webdesigner begabter, als ich immer angenommen habe. Wer hätte gedacht, zu was ich alles in der Lage bin, wenn ich mich aufs Arbeiten konzentriere und jeglicher Ablenkung und den Erinnerungen an Maya gekonnt aus dem Weg gehe? Danke für den Tritt in den Hintern.
Ich rasiere mich auch wieder und gehe fleißig zweimal die Woche zum Sport. Dein Ernährungsplan wirkt auch Wunder, ich passe wieder in alle Hosen.
Danke für den Vorschlag, das Verschwinden meines T-Shirts als Metapher zu sehen und endlich loszulassen. Zeit für eine modische Veränderung? Ich weigere mich noch.
An Maya denke ich nur noch, wenn ich allein bin. Dann aber umso mehr. Aber mach dir keine Sorgen, es geht mir gut. Eigentlich denke ich kaum bis gar nicht mehr an sie. Aber wer bin ich zu glauben, ich könnte meinen besten Freund anlügen?
Du hast neulich Abend bei Pasta und einer Flasche Rotwein gefragt, was ich ihr in dem Brief geschrieben habe. Ich weiß, ich habe vorher nie darüber gesprochen und behauptet, ich wüsste es nicht mehr. Aber die Wahrheit ist, ich habe es in den Schubladen meines emotionalen Maya-Schrankes eingesperrt und jetzt kotze ich es dir vor die Füße. Erschreckend, dass ich mich noch genau an jedes Wort in dem Brief, den ich für sie geschrieben habe, erinnern kann. Ich habe es für dich mal abgetippt. Vielleicht kann ich dann wirklich loslassen?
Liebe Maya,
wie recht du doch hattest. Fünf Tage mit dir haben gereicht, um alles zu erleben, was man in einer Beziehung erleben kann. In deiner jetzigen Realität ist kein Platz für mich, und ich brauche nicht noch mehr Tage, um das zu verstehen. Ich will dir nicht im Weg stehen und wünsche euch als Familie alles Gute.
Dir möchte ich danken, weil ich all das mit dir erleben durfte. Ich habe in diesen fünf Tagen alles erlebt, worauf manche ein Leben lang vergeblich warten. Vielleicht hast du mich in dieser Zeit ja auch geliebt. Ich hoffe schon – nur die letzte Gewissheit willst du oder kannst du mir nicht geben. Vielleicht ist das die Schutzmauer, die du dir einfach bewahren musst. Wenn das so ist, will ich diese Festung nicht auch noch stürmen.
Ich nehme alle Erinnerungen mit und lasse dir eine hier. Ich denke, ihr könnt die Couch gut gebrauchen. Sehe es als Willkommensgeschenk in deiner neuen Wohnung und als Abschiedsgeschenk zu gleichen Teilen an.
Te echaré de menos. Falls du es vergessen haben solltest.
Dank Alejandros Hilfe habe ich nicht nur die Couch in ihre Wohnung geschafft, sondern auch endlich den spanischen Satz verstanden, den Maya mir damals in meiner Küche gesagt hat. Es heißt „Du wirst mir fehlen“ . Und das tut sie. Auch jetzt noch. Tag für Tag. Ist das albern?
Jonas
„Das ist der letzte Karton. Damit sollte alles verpackt sein.“
Patrick zieht das breite Klebeband über den Karton und Melanie, die mit einem schwarzen Marker alle Kartons liebevoll beschriftet, schreibt „Kunstbücher“ in geschwungenen Buchstaben quer über den Deckel. Dahinter malt sie einen Schmetterling, weil sie es niedlich findet. Da sie schwanger ist und wir die Hormone als Entschuldigung gelten lassen, beschweren sich weder Patrick noch ich. Wir nehmen es mit einem Lächeln zur Kenntnis, und ich verdränge erfolgreich den Gedanken an die Gesichter der