5 Tage Liebe (German Edition)
Melanie sprach, und sah mir in die glasigen Augen. Ich höre seine Stimme immer noch so klar wie an diesem Abend.
„Jonas, du verstehst das nicht. Das ist Liebe. Die gibt man nicht auf. Wir sind füreinander bestimmt.“
Und dann kotzte er mir aufs T-Shirt und kippte nach hinten um. Zu blöd nur, dass er mit dem Hinterkopf unglücklich auf eine Bank prallte und so stark blutete, dass wir den Notarzt rufen mussten.
Wir standen ungefähr drei Wochen vor unserem mündlichen Abi. Kurz hatte ich die Panik, wegen einer solchen Dummheit vielleicht meinen besten Freund zu verlieren. Das Blut machte mir schrecklich Angst, aber ich stand wie fest gefroren neben ihm, unfähig mich zu bewegen, ihm zu helfen oder etwas zu sagen.
Dann schubste mich jemand heftig zur Seite.
Melanie Wächter!
Sie hatte einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht, zog sofort ihr Shirt aus und präsentierte ihre perfekten Bürste in einem schwarzen BH, während sie ihr Shirt auf Patricks Hinterkopf drückte und sanft seine Wange streichelte.
„Ganz ruhig, der Krankenwagen ist unterwegs. Alles wird gut, hörst du?“
Er zwingt mich auch heute noch, diese Geschichte zu erzählen. Und das immer und immer wieder. Er wäre so gerne dabei gewesen. Aber der Alkohol und die Platzwunde hatten ihr Übriges getan, um ihn das Bewusstsein verlieren zu lassen. Ein Glück, dass ich als Zeuge dabei war und ihm in allen blumigen Details erzählen konnte, wie wunderbar Melanie ausgesehen hatte. Wie sich ein Kreis aus Schaulustigen um uns bildete, und wie sie zum Sanitäter sagte, sie sei seine Freundin und müsse mit ins Krankenhaus.
Da haben Sie doch den Beweis. Das Leben ist ein Arschloch.
Über vier Jahre hat mein Freund sich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch aufgerissen, um ihre Aufmerksamkeit und vielleicht einen Kuss zu bekommen. Er hat sich zum Vollhorst gemacht, hat Spanisch gelernt, Referate freiwillig gehalten, auf Orgasmen in fremden Städten verzichtet – und wofür? Für nichts und wieder nichts! Dann kippt er volltrunken gegen eine Bank, und schon hält seine Angebetete seine Hand und lässt sie nicht mehr los.
Fast zehn Jahre später hat er um selbige angehalten, und sie hat „Ja!“ gesagt. Patrick und Melanie sind so ziemlich die verrückteste Liebesgeschichte, die ich kenne. Beinahe hätte ich mein gesamtes Teenagervermögen verloren. Zusammen mit meinem Panini-Album, das inzwischen mehrere hundert Euro wert ist.
Ich muss heute lächeln, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Da ändert sich plötzlich alles von einem auf den nächsten Tag. Ich dachte damals, ich kenne Patrick wie kein zweiter Mensch, und doch habe ich an ihm gezweifelt. Er hat mich eines Besseren belehrt, irgendwie bin ich ihm dafür dankbar. Manchmal, wenn man hart genug kämpft und fest genug daran glaubt, gehen auch die größten Träume in Erfüllung.
Patrick hat gestern, zusammen mit mir als Trauzeugen, seinen Anzug für die Hochzeit ausgesucht. Schwarz, schlicht, schick. Nichts erinnert mehr an den durchgeknallten Typen, der in der Schule gerne mit zwei verschiedenfarbigen Basketballschuhen auftrat. Er ist fast dreißig Jahre alt, studiert, und ist immer noch genauso verliebt wie damals. Er sieht mich über den Spiegel an, hält zuerst die rote Krawatte an seinen Hals.
„Was meinst du? Rot oder schwarz?“
Ich sehe mir das Bild genau an. Patrick im Anzug, bereit eine Frau zu heiraten. Nicht irgendeine Frau, nein, die Frau seiner Träume, um die er gekämpft hat, und die ihn ebenfalls über alles liebt.
„Rot.“
Er wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel und nickt zufrieden.
„Also rot.“
Und dann ist es wieder da, das große und breite Grinsen, ganz wie früher. Manche Dinge ändern sich eben nie. So wie unsere Freundschaft, auch zehn Jahre später, immer noch das Beste ist, was mir in meinem Leben passiert ist.
„Es wird ernst, mein Lieber.“
Wie recht er hat. Er wird bald Ehemann und dann irgendwann Papa sein. Dann wird er wirklich einer dieser Kerle, die ihr Leben in den Griff gekriegt haben und lieber die Abende mit der Familie beim Essen verbringen, als mit mir durch die Stadt zu ziehen. Ich habe es kommen sehen, aber jetzt macht es mich doch ein bisschen traurig. Er bemerkt meinen Gesichtsausdruck und dreht sich langsam um.
„Kopf hoch. Du findest auch noch die Richtige.“
Sicher. Das werde ich. Ausgerechnet ich. Der ewige Junggeselle, der sich zwar auf Blowjobs auf der Toilette einlässt, aber sich ums Biegen und Brechen nicht verlieben
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