5 Tage Liebe (German Edition)
Möbelpacker, die morgen all diese Kartons verziert mit Schmetterlingen, Maikäfern, Blumen und Smilies in den LKW laden dürfen.
„Geschafft!“
Meine Wohnung ist so gut wie leer, wenn man von einer kleinen Festung aus Kartons absieht. Meine Möbel habe ich in den letzten Wochen bereits in kleinen Etappen verkauft, verschenkt oder gespendet.
Nur wenige Sachen nehme ich nach London mit, da mir die Wohnung dort bereits mehr oder weniger eingerichtet wird. Ich werde mir manche Dinge dazukaufen müssen, um dem ganzen englischen Stil meine Marke aufzudrücken; aber im Moment bin ich mit den Dingen in diesen Kartons zufrieden.
„Fehlt denn noch was?“
Patrick sieht sich im Flur um. Keine Bilder an den Wänden, keine Poster, keine kleinen Postkarten, die wir von unseren zahlreichen Kneipentrips mitgenommen haben. Nichts mehr, nur eine weiße Wand, die wir zum Glück vor meinem Auszug nicht neu streichen müssen.
„Ich denke, wir haben alles.“
Aber das stimmt nicht. Gerade Patrick und Melanie würde ich nur zu gern ebenfalls in die Kisten packen und mit in mein neues Leben nehmen, weil ich mir ein Leben ohne Patrick nicht vorstellen kann. Ich weiß ja nicht mal, wie das ist, wenn er kein Teil meines Lebens ist. Ein Anruf und ein Sixpack Bier entfernt, wann immer ich ihn brauche.
„Gut. Dann schaffen wir es ja doch noch zu einer Dusche nach Hause, bevor deine große Abschiedssause startet.“
Er sieht mich grinsend an. Ich war tapfer, so wie es alle erwartet haben. Im letzten Monat habe ich mich bei so vielen Leuten verabschiedet, und immer habe ich es mit großer Fassung getragen, weil ich nicht zugeben will, wie schwer mir dieser Abschied wirklich fällt. Ich kenne nur Stuttgart. Ich kenne nur dieses Leben und nur diese Freunde, die ich mir über die Jahre hinweg in mein Leben eingeladen habe und jetzt loslassen muss. London ist nicht am anderen Ende der Welt, und sicherlich male ich es mir jetzt viel schlimmer aus, als es wirklich sein wird. Aber wäre es nicht falsch, alles Bisherige einfach loslassen zu können, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen und die guten Momente in einer Art Montage vor dem geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen?
London wird neu und anders. Ich bin mit zwanzig Jahren von zu Hause ausgezogen und habe die Abnabelung von meinem Elternhaus mit Bravour und viel Alkohol geschafft. Aber Patrick war immer da, egal welchen Schritt ich gemacht habe. Sicherheitsnetz und doppelter Boden.
Mit neunundzwanzig werde ich also endlich erwachsen.
Es klingelt an der Tür.
„Die Möbelpacker kommen erst morgen?“
Ich nicke und bewege mich durch den Flur zur Tür, werfe einen Blick durch den Spion und greife krampfhaft nach der Türklinke. Nicht um die Tür zu öffnen, nein, ich muss mich einfach nur festhalten. Durch den Spion wird alles verzerrt, aber hiermit habe ich den empirischen Beweis: Erinnerungen lassen sich nicht verzerren. Sie bleiben wie in Stein gemeißelt, so wie wir sie abspeichern. Ich lehne meine Stirn an die Tür, betrachte sie durch das Fischauge des Spions und habe nicht den Mut, die Tür zu öffnen. Nicht mal diese Verzerrung vermag ihre Schönheit zu zerstören. Aber was kommt dann? Eine Umarmung? Ihre Stimme? Ihr Geruch? All die Dinge, die ich in den letzten Monaten so weit von mir weggeschoben habe, sollen jetzt alle wieder auf einen Schlag da sein? Ganz ohne Vorwarnung und Zeit? Ich habe keine Minute, um mich auf diese Situation vorzubereiten. Ich habe nur die wilden Szenarien in meinem Kopf, die alle so weit weg von der Realität sind, wie ich es von Mario Gomez bin.
Es klingelt erneut.
Patrick tritt hinter mich. Da ist er, mein doppelter Boden. Langsam drücke ich die Klinke herunter und ziehe die Tür auf. Gefühlte dreißig Minuten vergehen, dann sehe ich sie an: Maya.
„Hi.“
Barcelona tut ihr gut. Sie hat die Haare etwas länger, einen schönen sommerlichen Teint und ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. Sie sieht viel zu gut aus, was mich wütend macht. Eines meiner Szenarien habe ich besonders gern. Sie klingelt wie auch jetzt an meiner Tür, sieht traurig und dünn aus, gesteht mir, wie sehr sie mich vermisst hat und wie dreckig es ihr ohne mich ging. Dann will sie mich zurück und gesteht mir ihre Liebe.
Ich bin froh, dass es ihr gut geht, weil ich niemals wollte, dass es ihr schlecht geht. Aber es tut ein bisschen weh, weil sie ohne mich so gut aussieht und es mich Monate gekostet hat, an diesen Punkt zu kommen.
„Hallo.“
Ich will auch gut
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