50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
das Herz zurück.
Die Ältesten, welche die Worte Kalafs gehört hatten, traten mit ernsten Mienen herbei. Es war das erste Mal in ihrem ganzen, langen Leben, daß ein Angehöriger des Stammes um Gnade gebeten hatte. Und nun gar derjenige, der sie bisher tyrannisiert und sich für den besten und edelsten von ihnen allen gehalten hatte. Kalaf fragte ihn:
„Weißt du auch, was du tust?“
„Ich habe es stets gewußt und weiß es auch jetzt.“
„Wer um Gnade bittet, erhält zwar sein Leben, nicht aber sein Eigentum.“
„Freßt meine Kamele und erstickt an ihnen.“
„Er ist ehrlos für immer.“
„Ihr könnt mir weder Ehre geben noch sie mir nehmen.“
„Und wird aus dem Stamm gestoßen.“
„Ich gehe selbst!“
„Er ist vogelfrei!“
„Das will ich ja sein!“
„Und wenn er innerhalb der Grenzen des Stammgebietes sich sehen läßt, kann ein jeder ihn töten, ohne die Blutrache befürchten zu müssen.“
„Hahaha! Man mag mich töten, wenn man sich an mich wagen will. Ihr seid alle Hunde, die ich mit meinen Füßen zertreten werde.“
„Ein Ehrloser kann keinen braven Krieger mehr beleidigen. Also, du willst Gnade?“
Falehd schwieg. Es wurde ihm doch schwer, auf eine solche Frage antworten zu müssen.
„Ich frage dich zum letzten Mal. Antwortest du nicht, so ist jede spätere Bitte vergeblich. Also, willst du Gnade?“
„Ja.“
„So werde ich dir selbst die Fesseln nehmen.“
Kalaf machte die Knoten der Riemen auf. Da sprang der Riese empor, streckte die Arme aus, schüttelte sich wie ein wildes Tier, das angekettet gewesen ist, und sagte:
„Frei, frei! Jetzt sollt ihr mich kennenlernen!“
„Wir kennen dich, du bist ohne Ehre für alle Zeit, und wer deinen Namen nennt, der wird dabei ausspeien. Vergessen sei dein Vater, und vergessen sei diejenige, die dich geboren hat! Mit den Schakalen und Hyänen sollst du leben, und wenn deine Leiche in der Wüste verfault, wird der Wanderer in einem weiten Bogen ausweichen, damit dein Anblick ihn nicht verunreinige.“
„Oh, ehe ich sterbe“, antwortete Falehd, „werden viele von euch vorher verfaulen müssen!“
„Und zum Zeichen, daß du keine Ehre mehr besitzt“, fuhr Kalaf fort, „werde ich als der erste dir das geben, was dir von jetzt an gebührt. Erhebet eure Stimmen, ihr Männer, und ruft mit mir, was ich über ihn rufe: Ja mußibe, ia ghumma, ia elehm, ia rezalet – o Unglück, o Kummer, o Schmerz, o Schande!“
„Ja mußibe, ia ghumm, ia elehm, ia rezalet – o Unglück, o Kummer, o Schmerz, o Schande!“ riefen alle Versammelten nach, die Hände ausstreckend, um ihren Abscheu zu zeigen.
„Hier ist, was dir gehört! Pfui!“
Kalaf spie den Riesen an.
Und „pfui!“ machten alle es ihm nach, indem auch sie den Riesen anspuckten.
Dieser stand still, ohne eine Miene zu verziehen. Er hielt das gesunde Auge ebenso geschlossen wie das andere. Er wollte gar nichts sehen. Aber als er es öffnete, sprühte der Blick förmlich unter dem Lid hervor.
„Seid ihr fertig?“ fragte er höhnisch.
Das sollte ruhig klingen, und Falehd gab sich alle Mühe, keine Aufregung zu zeigen, aber seine Stimme klang heiser, und die Worte drangen zitternd zwischen seinen Lippen hervor.
„Ja“, antwortete Kalaf. „Gehe in dein Zelt. Du sollst in kurzer Zeit erfahren, was die Versammlung der Ältesten noch über dich beschließt.“
„Noch beschließt? Es ist ja bereits beschlossen!“
„Dieser tapfere Masr-Effendi hat dir das Leben geschenkt; vielleicht ist die Versammlung auch gnadenreich gesinnt, dich wenigstens nicht als Bettler von sich zu lassen. Erwarte ihren Spruch.“
„Beschließt, was ihr wollt! Eins wird euch von mir sicher sein: Rache, Rache, Rache!“
Falehd wandte sich darauf ab und ging, stolz und erhobenen Hauptes, als ob er der Sieger sei, nicht aber der Besiegte und Ehrlose.
Er war kaum in sein Zelt getreten, so kamen Ibrahim Pascha und der Russe zu ihm. Auch sie beide hatten dem Kampf und den nachherigen Verhandlungen beigewohnt, allerdings nur von weitem.
„Wie, ihr kommt zu mir?“ fragte Falehd in grimmigstem Hohn.
„Wundert dich das?“ antwortete der Pascha.
„Natürlich! Ich bin ja ehrlos!“
„Was geht das uns an!“
„Ihr verunreinigt euch, wenn ihr euch mir nähert!“
„Das ist lächerlich. Diese Räuber können keinem Menschen die Ehre geben und sie auch keinem nehmen.“
„Habt ihr denn alles gesehen und gehört?“
„Ja.“
„So sehe ich freilich, daß ihr meine Freunde seid,
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