50 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 02 - Die Königin der Wüste
entgegenzunehmen, hatte der Scheik sich in das Innere der Ruine begeben.
Seine Schritte wurden durch die weichen Sandalen, die er trug, unhörbar gemacht. Die Tür des Gemaches, in dem sich Hilal mit der Geliebten befand, war offengeblieben, und so hörte der Vater der letzteren bereits von weitem die Stimmen der beiden Liebenden.
Er schlich sich nun ganz dicht an den Eingang heran, lauschte und wurde vom ersten bis zum letzten Wort Zeuge ihres Gesprächs, bis endlich der erwähnte Kuß ihm Zeit gab, sich schnell zu entfernen. Als Hilal und Hiluja ins Freie traten, stand er bereits an der Brüstung, an ganz derselben Stelle, wo wunderbarerweise in letzter Nacht die beiden Schwestern den beiden Brüdern ihre Liebeserklärung gemacht hatten.
Aber obwohl er sich Mühe gab, eine möglichst gleichgültige Haltung und Miene anzunehmen, faßte Hilal, dessen Blick ihn forschend überflog, doch Verdacht. Ehrerbietig trat er mit Hiluja zu ihm heran und fragte:
„Erlaubst du, daß ich auch hier stehen bleibe?“
„Wer könnte es dir verwehren?“
„Du.“
„Ich bin nur Gast.“
„Eben als solcher hast du mehr Rechte, als ich, besonders da ich dich bereits gestört habe.“
„Wieso?“
„Du wolltest zu Hiluja und tratest doch nicht ein, weil ich mich bei ihr befand.“
„Du irrst.“
„Ich hörte deinen Schritt.“
„Du irrst doch.“
„So ist es ein anderer gewesen. Wir sprachen von fernen Stämmen, auch von den Mescheer-Beduinen und von Mulei Abarak.“
Die Stirn des Scheiks zog sich in Falten, und sein Gesicht rötete sich.
„Warum sagst du mir das?“ fragte er.
„Ich denke, du kennst ihn?“
„Das ist noch kein Grund, mir zu sagen, daß ihr von ihm gesprochen habt.“
„Du hast sehr recht. Er ist ein Mann, von dem man überhaupt gar nicht sprechen sollte.“
„Ah! Kennst du ihn so genau?“
„So genau, daß ich vielleicht einmal mit ihm zusammengerate.“
„So nimm dich in acht!“
„Hilal braucht sich nicht zu fürchten“, fiel Hiluja schnell ein. „Er ist stark und mutig.“
„Weißt du das so genau?“
„Ja, und da er mich beschützt hat, solltest auch du nicht zweifeln.“
Dieser Vorwurf traf den Scheik am richtigen Ort, denn er war ein braver Mann und liebte seine Tochter. Übrigens hatte auch die belauschte Unterredung einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht. Um sich jetzt aus der augenblicklichen Verlegenheit zu ziehen, deutete er hinaus und sagte:
„Ihr habt den Riesen nicht das Lager verlassen sehen. Dort reitet er.“
Ungefähr eine halbe englische Meile vom Lager entfernt, sah man in der Tat den Riesen traben. Er saß auf dem Reitkamele, und die Packkamele folgen ihm, immer eins an den Schwanz des anderen gebunden, nach.
Eben jetzt kam Steinbach die Stufen emporgestiegen und blieb bei dem Scheik, Hiluja und Hilal stehen, um auch seinerseits den Riesen eine kleine Weile mit seinen Blicken zu verfolgen.
„Er reitet gerade gegen Norden“, meinte er. „Ahnst du, weshalb er dies tut, Hilal?“
„Nein.“
„So denke darüber nach!“
„Es ist mir gleichgültig, wohin ein Ausgestoßener sich wendet. Er mag reiten, wohin er will.“
„Mir aber ist es nicht gleichgültig, wohin einer sich wendet, der dem Stamm Rache geschworen hat.“
„Ah! Hat er das wirklich?“
„Hast du es denn nicht gehört? Kennst du die Gegend, der er entgegenreitet?“
„Ich kenne die Wüste viele Tagereisen im Umkreis.“
„Gibt es dort im Norden Oasen?“
„Nein; Falehd müßte denn fünfundzwanzig Tage weit in gerader Richtung fortreiten.“
„Das kann er nicht. Ich denke, dort gegen Norden liegen die großen Sodaseen.“
„Sie liegen fünf Tagereisen von hier. An ihren Ufern wächst kein Halm; in ihrem Wasser gibt es kein lebendes Tier, und von den weißen, salzigen Flächen prallt der Strahl der Sonne so scharf ab, daß er das Auge blendet. Wer längere Zeit dort bleibt, muß erblinden. Dort ist auch das Tal der Verdammten.“
„Es kann also wohl kaum seine Absicht sein, dorthin zu reiten.“
„Ganz und gar nicht.“
„Er will uns nur irreleiten und über seine eigentliche Absicht täuschen. Nach Norden will er sicherlich nicht. Nach Osten, woher ich gekommen bin, kann er auch nicht; denn lange bevor er noch an einen Brunnen käme, hätte er sein Wasser verbraucht. Wer aber wohnt im Westen von unserem Lager?“
„Lauter Freunde von anderen Abteilungen unseres Stammes. Ich habe bereits Boten dahin abgesandt mit der Nachricht, daß Falehd ausgestoßen
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