52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
haben Bücher schon immer meine erotische Vorstellungskraft beflügelt. Schon viele Male merkte ich, wie meine Hand beim Lesen unter den Bund meiner Jeans glitt.
Ich mache Herbert also folgenden Vorschlag: »Wir lesen uns gegenseitig die Textpassagen vor, die uns angeturnt haben. Sinn und Zweck ist es, dem anderen einen Einblick in die Welt unserer Fantasien zu schenken.«
Herbert sieht mich eine Weile besorgt an. Er ist Legastheniker und ein langsamer Leser. Pro Jahr schafft er kaum mehr als vier bis fünf Bücher. Aber schließlich tritt er doch an seinen kleinen Bereich der Bücherregale und zieht ohne Zögern vier Titel heraus. Ich dagegen zaudere vor meiner Bibliothek
und frage mich, was mich von all diesem Lesestoff in der Vergangenheit am meisten erregt hat. Ich muss die entsprechenden Bücher allesamt verliehen haben.
»Beeil dich!«, sagt Herbert. »Gib dir gar nicht erst die Zeit, verlegen zu werden.« Ah, da liegt der Hund begraben. Ich benutze meinen üblichen Trick und denke einfach zu viel nach. Will ich Herbert wirklich die Fantasien in jedem der Bücher, die ich aus dem Regal ziehe, offenbaren? Ich zögere weiter.
»Was suchst du denn?«, fragt er. »Etwas Bestimmtes?«
»Ich weiß noch, dass ich gestern eine Stelle im Kopf hatte, aber jetzt will sie mir nicht mehr einfallen.«
»Dann vergiss sie.«
»Na gut. Außerdem glaube ich, dass ich mein Exemplar von der Geschichte der O verschenkt habe.«
»Ich werde sie auf mein Telefon downloaden. Kein Problem.«
»Du hast schon mehr ausgesucht als ich.«
Es ärgert mich, dass er mir so durch meine eigene Verführung helfen muss. Schließlich ziehe ich doch einige Bücher heraus, und wir machen uns auf den Weg ins Schlafzimmer.
Als Erstes schlägt Herbert eines seiner ausgesuchten Bücher auf. Eines, das ich auch gelesen habe, jedoch nie als erotisch eingestuft hätte – Jude: Level 1 von Julian Gough. Es ist ein wunderbar komischer irischer Roman, und Herbert findet die von ihm gesuchte Stelle erstaunlich rasch. Er beginnt zu lesen. Unser Held Jude, der zwei Penisse hat (einer fungiert zugleich als seine Nase), reitet in die Schlacht und hat das Objekt seiner Begierde vor sich auf dem Pferd. Unvermeidlich
erigiert sein normal platziertes Exemplar, und so haben die beiden auf dem Pferd inmitten der johlenden Menge seiner Mitstreiter Sex.
»Also ganz ehrlich«, sage ich, »so habe ich das noch gar nicht gesehen.«
»Aber findest du nicht, dass das brillant klingt? Ganz zu schweigen von den zwei Penissen.«
»Stimmt schon«, sage ich. Und es klingt ja tatsächlich lustig. Jedenfalls lustiger als meine erste Textstelle aus Mitternachtskinder, wo der Arzt verführt wird, weil er eine junge Frau Stück für Stück nur durch ein Loch in einem Laken untersucht. Das wurde wohl nicht geschrieben, um einen zu erregen; das hatte ich vergessen. Herbert bleibt ungerührt. Im Gegenzug sucht er eine Stelle in American Gods von Neil Gaiman aus, wo ein Mann Sex mit einer Prostituierten hat, die anscheinend als Wonder Woman verkleidet ist, und seinen kompletten Körper danach mit ihrer Vagina verschlingt.
»Herbert«, sage ich, »fändest du es beleidigend, wenn ich sage, deine ausgesuchten Sachen sind bizarr?«
»Schon«, sagt er, »aber überleg doch mal, wie viel Spaß er hatte, bevor sie ihn verschluckt hat.«
Ich suche festeren Boden: die Geschichte der O auf Herberts iPhone. Ich begegnete ihr zum ersten Mal mit 17, als ich im Bücherregal einer Freundin eine Anthologie erotischer Geschichten entdeckte. Die enthielt nur die ersten paar Seiten, und ich war ein wenig enttäuscht, als ich das ganze Buch las und miterleben musste, wie O sich nach und nach immer mehr unterwarf. Trotzdem halte ich die ersten paar Seiten,
die ich jetzt laut vorlese, immer noch für sehr stark. Auch Herbert scheint es zu mögen.
»Dann gefällt dir also die Vorstellung, dass dir jemand sagt, was du zu tun hast?«
»Komm bloß nicht auf dumme Gedanken. Was mir hier gefällt, sind die sinnlichen Details; die Vorstellung, dass sie unter ihren Kleidern nackt wird.«
»Mmmmh«, macht Herbert und guckt verträumt.
Dann nimmt er Verbotene Früchte von Nancy Friday zur Hand und wählt die Fantasie einer Frau aus, die von einem unsichtbaren Liebhaber träumt, der sie unter dem Tisch eines Nobelrestaurants mit der Zunge befriedigt. »Mir gefällt die Vorstellung, dass niemand etwas davon mitkriegt«, sagt er.
Ich blättere in meinem Exemplar von Das sexuelle Leben der Catherine M,
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