52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
spielen, falls du mal raus möchtest.
Danke, aber es geht schon. Ist ja bald Wochenende.
Hab dich lieb.
Ich dich auch. Ich mag unsere schriftliche Konversation.
;-)
Es ist wunderbar, sich heimlich so zu unterhalten.
»Hey«, sage ich laut und zwinkere ihm zu, »jetzt fällt mir eine Website ein, auf der ich dir zeigen kann, was ich meine.«
Ich tippe: Ich finde, diese Seite macht richtig an. Lauter nette Bilder, und dann öffne ich einen Blog, den mir jemand empfohlen hat. Es ist eine Zusammenstellung von Fotos, die Leute zeigen, die sichtlich Spaß am Sex haben, ohne zu posen oder ausgebeutet zu wirken. Ich scrolle die Seite hinunter, um sie Herbert zu zeigen.
»Ah!«, sagt er. »Das sind ja genau die tag clouds, die wir brauchen.«
Wir kichern leise. »Welches gefällt dir am besten?«, frage ich.
Ich gehe zurück zum oberen Rand der Seite und bewege den Cursor dann von Bild zu Bild. Herbert zeigt mir seinen erhobenen Daumen oder senkt ihn, je nachdem, wie ihm das Foto zusagt. Ich bin froh, dass die Bilder, die er mag, vor allem
Leute zeigen, die lächeln, entspannt und ganz natürlich wirken.
Ich hatte bisher Angst, mit ihm Pornos anzusehen, weil ich fürchtete, dass er insgeheim auch diesen ausbeuterischen männlichen Blick draufhat. Doch das Gegenteil ist der Fall. Am deutlichsten reckt er den Daumen bei einer Frau hoch, die auf einem Bett sitzt, während ihr beachtlicher Bauch mehrere Röllchen formt.
»Warum denn das?«, frage ich fast geräuschlos.
»Sie hat so ein sympathisches, wissendes Lächeln«, flüstert er zurück.
Gegen 23 Uhr bin ich zwar erschöpft, habe aber trotz allem eingewilligt, auf dem Sofa mit Herbert zu schlafen.
Ich fühle mich dabei wieder wie ein rebellischer Teenager. Eigentlich lächerlich, ich weiß. Aber es hat einfach was, unten auf der Couch wild zu knutschen, während die eigene Mutter einen Stock höher schläft.
Es ist tatsächlich wie in alten Zeiten: unbequem, hektisch, und es erfordert eine fast unmögliche Geräuschlosigkeit. Wir haben schon angespannt gewartet, dass meine Mutter endlich ins Bett geht, und hinter ihrem Rücken verschwörerische Blicke getauscht. Einmal gelang es mir sogar, Herberts Brustwarzen zu streicheln, während sie uns in der Küche den Rücken zudrehte. Aber jetzt, nachdem sie noch eine kleine Ewigkeit im Bad verbracht und Bob zu sich ins Bett gerufen hat (alter Verräter – zu mir kommt er nie ins Bett), sind wir endlich allein.
Inzwischen möchte ich eigentlich nur noch ungestört meine
Lieblingsserie schauen, ohne dass dauernd jemand sagt: »Und so was findet man heutzutage also lustig?« Aber daraus wird nichts, denn Herbert hat schon seinen Pyjama ausgezogen.
Wir lassen den Fernseher als Geräuschkulisse laufen, was zur Folge hat, dass Herbert alle paar Minuten über einen besonders gelungenen Witz in schallendes Gelächter ausbricht. Auch ich bin nicht ganz bei der Sache: Mit halbem Ohr horche ich ständig auf Schritte am Treppenabsatz. Herbert quittiert all meine Äußerungen mit einem penetranten »Pschschscht!«. Der Spaß an so einer Verführung beruht zu 90 Prozent auf purer Nostalgie. Sie versetzt uns in die Zeit zurück, als man Sex noch vor Eltern oder Mitbewohnern verheimlichte; zugleich war Sex damals unbeschwert und reizvoll. Jetzt, wo wir ihn jederzeit in unserem hübschen, bequemen Schlafzimmer haben können, fällt es uns schwerer, ihn ehrlich herbeizusehnen.
Und vielleicht sind unsere Verführungen ja nichts anderes als eine symbolische Mutter oben im Gästezimmer. Einfach nur ein Grund zu sagen: »Hier. Jetzt. Auf der Stelle.«
Verführung Nr. 39
EIN GROSSES ABENTEUER
A n irgendeiner Stelle dieses Buches habe ich behauptet, monogame Liebe sei nichts weiter als eine Möglichkeit unter vielen.
Heute möchte ich das glatte Gegenteil behaupten. Heute will ich sagen, dass die Liebe einem die Entscheidungsfreiheit nehmen kann. Ich will sagen, dass sie einen geradezu verschlingen kann.
Und beides stimmt: Liebe ist eine Entscheidung und ein unkontrollierbares Verlangen, ein Willensakt und eine Zumutung. Als ich Herbert zum ersten Mal begegnet bin, habe ich nicht beschlossen, mich in ihn zu verlieben, sondern es einfach getan. Wenn Sie mich zehn Minuten vorher gefragt hätten, wie es sich anfühlt, sich zu verlieben, hätte ich keine Antwort darauf gewusst. Aber er saß plötzlich auf dem Stuhl neben mir, und da ist es passiert: dieses alles durchdringende Gefühl totaler Bewunderung, das ich seither nie ganz
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