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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wir haben heute einen Sack Kartoffeln gekauft. Da werde ich nun die beiden besten Kissen ein wenig öffnen und so viele Kartoffeln hineinstecken, daß derjenige, der darauf sitzt, selbst wenn er die Knute nicht erhalten hat, wünschen müßte, weit weg zu sein.“
    „Karpala, Kindchen! Du bist ein ganz famoses, allerliebstes Wesen! Nun aber mach, daß du wieder in das Zelt kommst und deine Vorbereitungen triffst, sonst bist du noch nicht fertig, wenn die guten Herrschaften kommen.“
    Karpala ging hinein, und bald sahen die Männer, daß von innen der untere Zeltrand da, wo sie saßen, so gelockert wurde, daß man leicht hineingreifen konnte, und zu ihrer Befriedigung ließ sich bald darauf Pferdegetrappel vernehmen, ein Zeichen, daß die Gäste kamen.
    In jenen Gegenden, wo selbst der Ärmste ein Pferd besitzt, gilt es für eine Schande, Besuche zu Fuß zu machen. Darum kam auch der Kreishauptmann trotz der kurzen Strecke Weges, den er zurückzulegen hatte, mit den Seinen zu Pferd angeritten.
    Sie stiegen ab und wurden von dem dicken Fürsten Bula und seiner noch umfangreicheren Gattin Kalyna auf das freundlichste empfangen. Auch Karpala zeigte sich über den Besuch so erfreut, daß dem Rittmeister das Herz zu schwellen begann, trotzdem ein anderer Teil seines Leibes, der noch mehr als das Herz angeschwollen war, ihm die größten Schmerzen bereitete. Die Freude der schönen Tungusin galt natürlich nicht ihm, sondern Gökala, die von Karpala schnell in das Zelt geführt wurde und dort den Ehrensitz erhielt.
    Als dann auch die anderen eintraten, wies Karpala dem Kreishauptmann und seinem Sohn die für sie bestimmten Plätze an. Beide waren innerlich erfreut, als sie bemerkten, daß sie auf sehr hohe, weich erscheinende Kissen placiert werden sollten.
    Stühle gab es nach dortiger Sitte nicht.
    Die Kreishauptmännin hatte wirklich, wie zu vermuten gewesen war, ihren Pompadour mit. Sie wollte, bevor sie sich setzte, ihn und ihr Tuch selbst ablegen, aber Karpala kam ihr zuvor, nahm ihr beides ab und legte es dorthin, wo sie der Verabredung gemäß die Lücke gemacht hatte, tief auf den Boden nieder. Dabei schüttelte sie den Beutel ein wenig und hörte zu ihrer Genugtuung Schlüssel in demselben klirren.
    Nachdem auch ihre Eltern sich gesetzt hatten, begann Karpala den Tee herumzureichen und machte sich, als sie bemerkte, daß sämtliche Gäste sehr eingehend mit demselben beschäftigt waren, noch auf kurze Zeit beim Teekessel zu schaffen, indem sie dabei einige Strophen eines kleinen tungusischen Liedchens trällerte.
    Sie hielt indessen den Blick auf den Beutel gerichtet und sah gar wohl Sams Hand erscheinen, die ihn hinauszog. Nach wenigen Augenblicken wurde er wieder hereingeschoben.
    Nun war sie befriedigt und setzte sich zu Gökala.
    Das Gespräch drehte sich um gleichgültige Dinge, und es wurde dabei sehr sorgfältig vermieden, die Verhältnisse Gökalas zur Sprache zu bringen.
    Das Auge des Rittmeisters hing bewundernd an Karpala, und sie gab sich Mühe, ihm zuweilen einen freundlichen Blick zuzuwerfen, dann erglänzte sein Gesicht stets vor Freude. Leider aber hielt dieser freudige Ausdruck nie sehr lange an, sondern es machte sich allemal schnell darauf ein schmerzhaftes Zucken bemerkbar.
    „Was hast du denn?“ fragte sie in scheinbarer Teilnahme. „Du ziehst so eigentümliche Gesichter.“
    „Ich? Davon weiß ich ja gar nichts.“
    „O doch! Und dein Vater macht es ganz ebenso.“
    Der Kreishauptmann zeigte ein sehr erstauntes Gesicht und meinte:
    „Ich? Ich soll Gesichter schneiden? Fällt mir doch gar nicht ein!“
    „Ich sehe es ja. Es sieht ganz so aus, als ob ihr von Zeit zu Zeit gestochen würdet!“
    Der Rittmeister machte ein sehr verliebtes Gesicht und antwortete:
    „Da müßten mich höchstens deine schönen Augen stechen, und zwar tief ins Herz hinein.“
    „Oh, mir scheint, daß die Stiche viel, viel tiefer treffen.“
    Und dann, als sich die Gelegenheit dazu bot und sie nicht bemerkt wurde, flüsterte die Tungusin Gökala zu:
    „Beide haben wieder von Sam die Knute erhalten, und ich habe Kartoffeln in ihre Sitzkissen gesteckt.“
    Da hätte Gökala beinahe laut aufgelacht und mußte sich alle Mühe geben, ihre Heiterkeit zu verbergen. Die Sache war sowohl vom ästhetischen als auch vom sittlichen Standpunkt keinesfalls zu billigen; aber die beiden Gemarterten waren Leute, denen eine solche Züchtigung gegönnt werden konnte. Darum war die heimliche Schadenfreude der beiden Mädchen

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