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53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten

Titel: 53 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 05 - Der Engel der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zwar nicht ganz zu billigen, aber doch wenigstens leicht zu begreifen.
    Sie hatten im weiteren Verlauf des Abends vielfach Gelegenheit zu beobachten, daß die auf den Kartoffeln Sitzenden sich in einer keinesfalls angenehmen Situation befanden. Der Schweiß stand beiden auf der Stirn, und sie rückten fleißig hin und her und zogen Gesichter, wie sie kein Komiker hätte tragikomischer fertigbringen können. –
    Unterdessen war Sam mit Tim draußen verschwunden und nach dem Regierungsgebäude zugeschritten.
    „Hast du die Schlüssel?“ fragte Tim.
    „Ja. Ich hoffe, daß es die richtigen sind. Karpala hat ihre Sache gut gemacht. Hier ist das Wirtshaus. Wir müssen einmal hineingehen.“
    „Um zu sehen, ob die Bediensteten des Kreishauptmanns drin sind?“
    „Ja, und auch um nach dem Polizisten zu schauen. Wenn ich diesen Leuten nicht Einhalt tue, muß ich gewärtig sein, sie trinken sich zu Tode.“
    „Na, dann komm!“
    Sie gingen also hinein. Da bot sich ihnen eine Szene, wie sie allerdings nur hier in Sibirien vorkommen konnte.
    Unter dem Tisch lag die Frau des Polizisten, so vollständig betrunken, daß sie das Bewußtsein verloren hatte. Auf dem Leib derselben aber saß ihre Tochter, ganz stieren Blicks, und lallte immer nur die drei Worte vor sich hin:
    „Ich bin Braut, ich bin Braut!“
    Sie hatte dabei ihre Jacke ausgezogen und sich dieselbe wie einen Mantel um die Achseln gelegt. Von dem Stroh aber, das wegen der übernachtenden Gäste auf dem Boden lag, hatte sie sich einen riesigen Kranz gewunden und auf den Kopf gesetzt.
    Am Tisch saß ihr Vater, das Gesicht in die Hände gestemmt und dabei immer nur mit sich selbst sprechend, während vor ihm nicht mehr und nicht weniger als siebzehn leere Schnapsflaschen standen.
    An einem anderen Tisch bemerkte man mehrere Tungusen mit einigen Kosaken, denen sie fleißig zutranken. Diese letzteren waren jedenfalls die Dienstleute des Kreishauptmanns, die von den ersteren in den Gasthof gelockt worden waren.
    Der Polizist erkannte trotz seiner Betrunkenheit Sam sofort.
    „Väterchen, Väterchen, liebes Väterchen!“ lallte er. „Hier ist der Himmel!“
    „Wo sind die Ratniki? Ich sehe sie nicht!“ entgegnete Sam. „Ich dachte, sie würden auch hier zu treffen sein.“
    „Die wollen ihren Wodka mit Bequemlichkeit trinken, so daß sie nicht nach Hause getragen zu werden brauchen. Sie haben ihn sich mit heimgenommen.“
    „Ganz gescheit. Wieviel denn wohl?“
    „Jeder fünfzehn Flaschen, ach, könnte ich die doch auch noch trinken“, lallte der Betrunkene. Dabei versuchte er sich zu erheben, fiel aber unter den Tisch und rührte sich nicht mehr.
    Sam berichtigte nunmehr seine nicht unbedeutende Zeche und ging mit Tim fort, begleitet von dem Wirt, der Komplimente machte, als ob er allen Ernstes die Absicht habe, sich das Genick zu brechen.
    Bald gelangten sie zum Regierungshaus, in dem keine Laterne brannte, so daß im Dunkel des Abends sie kein Mensch sehen konnte. Vor der Tür des Hauses trat ihnen ein Mann entgegen. Es war Jim.
    „Nun?“ fragte Sam. „Wie steht es?“
    „Gut. Es ist kein Mensch da.“
    „So wollen wir sehen, ob wir öffnen können.“
    Sam zog die Schlüssel hervor und probierte sie. Einer derselben öffnete. Sie traten ein und schlossen hinter sich zu.
    Die hintere Tür hatte kein Schloß, sondern nur einen Innenriegel, der zurückgeschoben wurde. Sam führte die beiden Freunde hinaus in den Garten, um sie mit dem Terrain vertraut zu machen. Dann postierte er Tim an die Hintertür und Jim oben an die Treppe, während er selbst mit dem dazu passenden Schlüssel die Schlafstubentür aufschloß.
    Jim war einstweilen zu ihm getreten und ging auch mit hinein in die Stube.
    „Aber nun den Schlüssel zur Vorratstür her“, sagte er. „Das ist die Hauptsache.“
    „Der steckt hier in dem Kästchen.“
    „Ah! Prachtvoll!“
    „Das Kästchen ist auf. Ich habe den Schlüssel. Gehe jetzt an die Treppe. Ich trage dir zunächst das Pulver zu.“
    Sam schloß nunmehr die Tür auf, ergriff eins der Fäßchen und übergab es Jim. Dieser brachte es bis zu Tim an die Hintertür herab, und jener trug es weiter bis hinaus in den Garten an die Plankenpforte.
    Jeder kehrte dann schleunigst an seinen Platz zurück, und da die drei kraftvolle und gewandte Männer waren, so waren sie nach kaum einer halben Stunde mit dem Ausräumen vollständig zu Ende. Darauf wurden die Türen verschlossen und der Schlüssel zum Lagerraum natürlich wieder in das

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