Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken

Titel: 54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
aller Augen aufpassen, wer beim Nachbar ein- und ausgeht.“
    „Das ist richtig. Also zu Normanns. Adieu!“
    Sam begab sich zu dem Maler. Er brauchte keine Sorge zu haben, von dem Agenten beobachtet zu werden. Dieser hatte ganz anderes zu tun.
    Als Schubert von der Meierei zurückgekehrt war, hatte er geglaubt, Lina daheim zu finden, aber sie war nicht da, und die Witwe meldete, daß sie zu Normanns gegangen sei, um die Ankunftsvisite zu machen.
    Nun, diese Visite konnte doch keine Ewigkeit währen!
    Aber sie dauerte dennoch lange, denn nach dem, was man von Lina erfuhr, war eine eingehende Beratung notwendig gewesen, zu der sogar der Schloßverwalter und der Kastellan hinzugezogen wurden.
    Die Folgen dieser Beratung sollte der Agent sehr bald an sich erfahren, aber ohne es zu ahnen. Er lag im offenen Fenster, blickte hinaus, rauchte dazu eine Zigarre und wartete mit Ungeduld auf Linas Rückkehr. Er mußte ihr Kommen von diesem Fenster aus bemerken. Endlich, endlich kam sie.
    Sie tat, als ob sie ihn gar nicht bemerkte, aber gerade unter seinem Fenster blieb sie stehen, blickte mit einem vollen, sonnigen Lächeln zu ihm empor und fragte:
    „Auf mich gewartet?“
    „Mit Schmerzen.“
    „Konnte nicht eher. Soll ich zu Ihnen?“
    „Wenn es möglich ist, ja.“
    „Gut, baldigst.“
    Lina trat unten ein, und Schubert schloß sein Fenster und zog sich in die Stube zurück.
    Es war ihm so fremdartig zumute. Es wirbelte ihm im Kopf, als ob er zuviel Wein oder zu heißen Grog getrunken hätte.
    „Also Sie waren bei Normanns?“ begann er, als Lina eingetreten war und sich auf seine freundliche Einladung auf dem Sofa niedergelassen hatte. „Wie wurden Sie empfangen?“
    „Sehr freundlich, man wollte mich gar nicht so bald wieder fortlassen. Hätte ich nicht gewußt, daß Sie warteten, so wäre ich noch länger geblieben.“
    „Was haben Sie erfahren?“
    „Verschiedenes! Wir sprachen über Politik, Weltgeschichte, Saat und Ernte und anderes auch!“
    „Ah, ich glaubte, wertvolle Dinge zu hören! Sie hätten fragen sollen!“
    „Konnte ich so mit der Tür ins Haus fallen? Ich werde ja wieder öfter hinübergehen, und da erfahre ich jedenfalls irgend etwas, was Sie interessiert. Sie wollten mir ja heute noch viel mehr von Normanns erzählen, wurden aber unterbrochen.“
    „Nicht, daß ich wüßte.“
    Er sagte das in sehr gleichgültigem Ton. Sie aber ließ sich nicht irremachen.
    „Leugnen Sie nicht! Sie mußten noch ganz Außerordentliches in petto haben, nach der Art und Weise, wie Sie sich ausdrückten. Offen gestanden, kam ich hauptsächlich deshalb zu Ihnen, weil ich glaubte, Sie wollten mir die versprochenen Mitteilungen machen. Da dieselben unterbleiben, so ist meine Gegenwart unnütz.“
    Lina erhob sich vom Sofa. Aber schon stand er vor ihr und vertrat ihr den Weg.
    „Fräulein, so war es nicht gemeint. Zu Mitteilungen, wie Sie verlangen, gehört ein ganz beispielloses Vertrauen. Wenn Sie es mißbrauchten, wäre meine ganze Existenz vernichtet.“
    „Halten Sie mich für eine Verräterin?“
    „Nein. Aber beweisen Sie mir, daß Sie wirklich Normanns Feindin sind.“
    „Das kann ich Ihnen ja nicht beweisen.“
    „O doch! Dadurch, daß Sie mir sagen, wodurch Normann Sie so schwer beleidigte.“
    „Das – das soll ich sagen?“
    „Fällt es Ihnen so schwer?“
    „Schwerer, als Sie denken.“
    Lina trat an das Fenster und blickte sinnend hinaus. Er sah ihren Busen auf und nieder wogen. Es mußten stürmische Gefühle sein, die sie bewegten. Dann wandte sie sich mit einem raschen Ruck zurück und sagte:
    „Wohlan, ich will aufrichtig sein. Es fällt auf mich ja kein Schimmer eines falschen Lichtes, denn ich bin nicht schuld daran. Es ist nichts weiter, als das alte Lied – und wem es just passiert, dem bricht das Herz entzwei.“
    „Ach, Untreue?“
    „Ja, ich will Ihnen nun gestehen, ich war Normanns Braut.“
    „Seine Braut waren Sie? Seine Braut?“
    „Leider!“
    „Der Schändliche!“
    „Dieses Wort ist noch viel zu wenig. Ich kann nichts sagen, und ich mag nichts sagen, denn es ist eben in Worten nicht auszudrücken. Er reiste nach der Türkei. Als er zurückkehrte, brachte er diese beiden Geschöpfe mit. Ich war vergessen, und er sagte mir, seine Liebe sei erloschen, daher halte er es für geraten, daß wir uns trennen möchten.“
    „Schändlich! Und doch besuchen Sie ihn?“
    „Ihn? Was fällt Ihnen ein? Nicht zu ihm gehe ich, sondern zu den beiden Frauen, die nicht wissen, daß

Weitere Kostenlose Bücher