54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
doch nicht sein, sonst fällt mir die ganze Freude in den Brunnen. Laß uns lieber nach der Meierei gehen.“
Sie waren bereits bemerkt worden, und zwar auch von der Meierin selbst. Als diese den dicken Sam erblickte, ahnte sie, daß er derjenige sei, den sie zu erwarten habe.
Sein volles, joviales Gesicht gefiel ihr sofort, und als sie dann Auguste in das Auge blickte, war ihr diese auch sofort sympathisch.
„Grüß Gott, dicke Frau!“ sagte Sam. „Wie geht es mit dem Atem?“
Die Meierin war nämlich fast ebenso dick wie er. Sie lachte über den sonderbaren Gruß und antwortete sofort:
„Danke schön! Wenn ich den Ihrigen noch mit habe, blase ich die Welt über den Haufen.“
„Das hört man gern. Der Atem ist die Hauptsache, denn wenn der aufhört, nachher ist auch alles andere aus. Ist die Ernte gut ausgefallen?“
„Wir sind zufrieden.“
„Freut mich, denn ich möchte Ihnen meine Herzallerliebste da in die Kost geben.“
„Bedarf die Dame soviel, daß Sie sich gleich nach der Ernte erkundigen?“
„Weiß nicht. Warten wir es ab. Ich tue es nur zur Probe. Brauchen Sie zuviel für sie, heirate ich mir eine andere.“
„Sam!“ rief Auguste vorwurfsvoll.
„Schon gut, Herzchen! Weißt schon, daß es ohne Dummheit bei mir nicht abgeht. Also, geradeheraus gesagt, könnte ich für diese Dame hier bei Ihnen eine Wohnung bekommen?“
„Ist Ihr Name Sam Barth?“
„Ja.“
„Dann steht die Wohnung bereit.“
„Ich bin also angemeldet. Sehr gut. Aber wissen Sie, eine gewisse Person darf nicht erfahren, daß ich hiergewesen bin.“
„Weiß schon, werde schweigen. Wollen Sie sich die Zimmer ansehen?“
„Wird wohl nicht nötig sein. Ich weiß, daß man bei Ihnen gut aufgehoben ist. Sagen Sie uns lieber den Preis.“
„Von dem Preis reden wir, wenn Sie ausziehen. Kommen Sie nur. Sie müssen sich unbedingt umschauen.“
Auguste blieb gleich da wohnen. Ein Knecht wurde nach dem Bahnhof geschickt, um ihre Effekten zu holen. Dann kehrte Sam allein nach der Stadt zurück.
Kurz vor derselben promenierte der Polizist auf und ab. Als er Sam erblickte, winkte er ihn seitwärts und meldete:
„Man soll uns beide nicht beisammen sehen, darum habe ich Sie hier vor der Stadt erwartet, da ich wußte, daß Sie auf der Meierei seien.“
„Ist denn etwas geschehen?“
„Freilich. Es ist ein neuer Plan besprochen worden.“
„Alle Teufel! Ohne mich?“
„Man hofft, daß Sie demselben Ihre Zustimmung geben.“
„Den Teufel werde ich! Aber zustimmen nicht!“
„Hören Sie nur erst, was man beschlossen hat.“
„Nichts brauche ich zu hören. Wer ohne mich beschließt, mag auch ohne mich handeln, ich aber tue auch, was ich will.“
„Ich glaube, Sie sind erregt.“
„Natürlich. Wundert Sie das? Man ändert meine Bestimmungen um, ohne mich nur um ein Wort zu fragen, und wenn ich darüber zornig werde, so wundern Sie sich noch? Das ist sehr gut.“
Sam war wirklich aufgeregt. Das sah man ihm an.
„Beruhigen Sie sich nur“, bat der Polizist. „Geändert ist nicht sehr viel daran. Es hat sich etwas zugetragen, was eine sofortige Besprechung verlangt, und da Sie nicht zu finden waren, so mußte man sich ohne Sie behelfen. Eine Mißachtung gegen Sie aber hat nicht vorgelegen.“
„So? Was ist denn geschehen?“
„Sie haben doch meine Schwester auf dem Bahnhof aussteigen sehen?“
„Ja.“
„Der Plan ist gelungen. Sie hat den Agenten in der Residenz beobachtet und ist mit ihm in demselben Coupé gefahren. Die Hauptsache aber ist, daß er sich sterblich in sie verliebt hat.“
„Das ist ihm nicht zu verdenken, denn sie ist ein sehr hübsches Mädchen, fast ebenso hübsch wie meine Auguste.“
„O bitte!“ lächelte der Polizist. „Und nun noch eins. Als Lina sich den Anschein gab, als ob sie Normanns Feindin sei, da hat er ein solches Vertrauen zu ihr gefaßt, daß er sie als Verbündete engagiert hat. Er will ihr alles erzählen, und sie soll ihm helfen.“
„Der Esel.“
„Jedenfalls erfahren wir nun die Details von den Plänen, die die Kerle ausführen wollen.“
„Natürlich, nämlich wenn ihre Schwester auch weiter so klug handelt wie bisher. Aber was ist denn nun beschlossen worden?“
„Verschiedenes. Ich möchte nicht lange hier stehen und habe auch noch anderes vor. Wollen Sie nicht zu Normanns gehen? Man wartet auf Sie.“
„Der Agent sieht mich ja hineingehen.“
„Der Eingang ist von der anderen Seite, und am Tag kann er sich doch nicht hinstellen und vor
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