54 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 06 - Die Kosaken
und warf dann die Tür hinter sich in das Schloß.
„Haben wir sie?“ flüsterte neben ihm der Pascha, der seine Blendlaterne verschlossen hatte, damit nicht etwa beim Öffnen der Tür ihr Schein bemerkt werden möchte.
„Ja, alle!“ antwortete der Kastellan.
Damit trat er schleunigst zum Hebel, um zu verhüten, daß nicht etwa der Pascha oder der Derwisch sich desselben bemächtigte. Die Laterne hatte er nicht mehr. Er hatte sie drinnen in der Brunnenstube niedersetzen müssen, weil er beider Hände zum Aufschließen bedurfte.
Jetzt wurde an die Tür geklopft.
„Was ist denn das?“ hörte man Steinbachs Stimme rufen. „Machen Sie doch auf.“
Als niemand antwortete, wurde stärker geklopft, und mehrere Stimmen erhoben sich. Da klappte der Pascha das Guckloch auf, hielt sein Gesicht an dasselbe, schaute hinein und fragte:
„Was gibt es denn? Was ist das für ein Lärm?“
„Aufmachen, aufmachen!“ antworteten ihm verschiedene Stimmen.
„Nur Geduld! So schnell geht das freilich nicht. Wir haben zuvor ein Wörtchen miteinander zu reden.“
„Wir? Mit Ihnen?“ fragte Steinbach, der sich an die Tür gestellt hatte. „Wer sind Sie denn?“
„Ich hoffe, daß Sie mich kennen.“
„Das wäre doch kein Grund, uns hier einzuschließen. Lassen Sie uns doch einmal Ihr Gesicht sehen.“
Steinbach nahm die Laterne auf und leuchtete dem Pascha in das Gesicht.
„Ah! Alle Teufel!“ rief er aus, sich ganz erschrocken stellend. „Ibrahim Pascha.“
„Ja“, grinste der Pascha. „Ich bin hier, um dem Lord zu zeigen, daß ich doch wohl noch satisfaktionsfähig bin. Ich werde ihm eine Satisfaktion für seine Beleidigung geben, wie er sie sich so vollständig sicherlich nicht gedacht hat!“
„Mensch, was meinen Sie?“
„Oho! Schnauze mich nicht so an, Bursche! Du hast stets den Helden gespielt, jetzt aber ist's mit deiner Rolle zu Ende. Ich habe lange, lange Zeit nach euch gesucht, nun endlich ist meine Zeit gekommen, und meine Rache kann beginnen. Ihr befindet euch alle in meiner Gewalt.“
„Täusche dich nicht, Halunke!“
„Von einer Täuschung ist gar keine Rede. Ich habe euch ja bereits Tschita und Zykyma, eure zwei schönsten Täubchen, weggefangen. Ich lockte sie hier in die Ruine, und nun stecken sie in zwei Löchern, aus denen sie nur treten können, um von mir nach der Türkei geschleppt zu werden. Dort werde ich sie den beiden häßlichsten meiner Sklaven zu Weibern geben.“
„Hund, du lügst!“
„Nein, ich werde es tun. Aber nicht sofort. Ihr sollt noch für einige Stunden die Qualen eines gewissen, grauenvollen Todes ausstehen. Kein Bitten und kein Flehen wird euch helfen. Ich bleibe bei meinem Vorsatz. Sterben müßt ihr, alle, alle! Das ist die Strafe für alles, was ich von euch erleiden mußte. Kein Klagen, kein Heulen und kein Wimmern kann euch retten, denn –“
„Klagen?“ unterbrach ihn Steinbach. „Oh, denke nicht etwa, daß wir dich anwimmern werden, das fällt uns nicht ein. So einen Halunken, wie du bist, werden wir keine Bitte hören lassen. Nein, anstatt der Bitte wirst du anderes bekommen. Hier, da hast du es!“
Der Pascha hatte seinen Kopf möglichst weit durch die offene Klappe gesteckt, Steinbach holte aus und stieß ihm die Laterne in das Gesicht, daß das zerbrechende Glas darin steckenblieb und das Öl der auslöschenden Lampe sich darüber ergoß.
„Himmel – Teufel – Hölle!“ schrie der Pascha, mit dem Kopf zurückfahrend und sich mit beiden Händen nach dem verletzten Gesicht greifend. „Hinab mit ihnen, hinab! Keine Gnade! Schnell, schnell, Kastellan!“
Der Schmerz, den die Verwundung ihm verursachte, ließ ihn vergessen, daß er sich an den Qualen seiner Opfer hatte weiden und sie nicht so schnell hatte sterben lassen wollen. Er bückte sich nieder, um selbst den Hebel zu bewegen. Der Kastellan aber schob ihn zurück und fragte:
„Soll ich?“
„Natürlich! Schnell, schnell!“
„Ja, ja! Ich schaue zu!“ rief der Derwisch, an die Tür tretend und durch die Luke blickend.
Der Kastellan drückte. Da erscholl ein vielstimmiger Schrei, der weniger aus Verabredung, als aus wirklichem Schreck ausgestoßen wurde. Es war zwar versichert worden, daß niemand zu Schaden kommen solle, aber als der Boden sich unter den Füßen zu bewegen begann, war es doch für wenigstens einen Augenblick mit der Ruhe vorüber.
Der Derwisch sah durch die Klappe in die Stube. Drinnen war die Laterne erloschen. Nur eine Ahnung von Licht drang von der
Weitere Kostenlose Bücher