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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagen, ein Sohn werde ein starker und tapferer Mann, wenn man ihm einen Löwenzahn anhänge. Dieser Ansicht ist der Onkel gefolgt, freilich nicht aus Aberglaube, sondern einer willkürlichen Eingebung, einer Liebhaberei wegen. Es hat nicht ein jeder das Glück, von sich sagen zu können, daß er den König der Tiere erlegt habe, und darum ist ein solcher Zahn für den Sohn eines Löwentöters ein wertvolles Andenken an den Mut des Vaters.“
    „Wo sind die beiden Knaben verloren gegangen?“
    „In oder bei Neidenburg in Ostpreußen“, antwortete Müller, fuhr aber rasch fort: „Alle Teufel, da fällt mir ja ein, daß du aus jener Gegend bist! War es nicht ein Dorf bei Neidenburg im Regierungsbezirke Königsberg, wo du geboren bist?“
    „Ja, in Groß-Scharnau bei Neidenburg; aber ich bin dort nicht geboren, sondern gefunden worden.“
    „Wie? Was?“ fragte Müller, erstaunt stehenbleibend. „Ah, richtig, du hast keine Eltern!“
    „Ich bin aus einem Berg von Schnee hervorgezogen worden, ich bin ein Findelkind, darum hat man mir ja den Namen Schneeberg gegeben.“
    „Ich besinne mich; du hast mir dies ja bereits erzählt. Aber, um Gottes willen, du willst doch nicht sagen, daß es zwischen deiner Auffindung und dem Verlust jener Knaben irgendeinen Zusammenhang gibt?“
    „Vielleicht ist dieser Zusammenhang vorhanden, Herr Doktor. Eben darum habe ich Sie ja um Verzeihung gebeten, falls ich Ihnen zudringlich erscheinen sollte. Sie kennen mich, ich will nicht aufdringlich sein; aber ich wäre ganz glücklich, wenn es mir gelänge, meine Eltern zu finden. Ob diese arm oder reich, bürgerlich oder vornehm sind, das ist mir ganz gleich, wenn nur die Sehnsucht, welche ich nach ihnen fühle, befriedigt wird.“
    „Aber, Mensch, Fritz, was redest du da für dummes Zeug! Jeder Vater und jede Mutter wird froh sein, ein verlorenes Kind zu finden, ganz gleich, ob dieses Kind von armen oder wohlhabenden Leuten aufgenommen wurde. Ich weiß in diesem Augenblick noch nicht, was du sagen willst, und was ich denken soll; aber woraus schließt du, daß der erwähnte Zusammenhang stattfindet und vorhanden ist?“
    „Weil ich einen Löwenzahn trage, und zwar den aus dem rechten Kiefer.“
    „Großer Gott, ist's möglich? Er ist bei dir gefunden worden?“
    „Ja.“
    „Du hast ihn noch?“
    „Ja; ich trage ihn hier am Hals.“
    „Und die Bilder sind darin?“
    „Sie sind drin.“
    „Das hast du gewußt und mir niemals gesagt!“
    „O bitte, Herr Doktor, ich habe von den Bildern nichts gewußt, gar nichts; erst gestern hat mich Mademoiselle Nanon auf den Inhalt des Zahnes aufmerksam gemacht.“
    „Mademoiselle Nanon? Was weiß sie von dem Zahn?“
    „Sie hat in Paris eine Dame gesehen, von welcher erzählt worden ist, daß sie stets in Trauer gehe, weil sie zwei Zwillingsknaben verloren und nicht wiedergefunden habe; ein jeder der Knaben hat an einer dünnen goldenen Kette einen Löwenzahn getragen. Gestern traf ich sie im Wald. Meine Bluse hatte sich geöffnet, und der Zahn hing hervor. Sie erblickte ihn und besann sich sofort auf jene Dame. Als sie weiter hörte, daß ich ein Findling sei, nahm sie sofort an, daß ich einer der beiden Knaben sein müsse. Sie besah sich den Zahn genauer, und da fand es sich, daß er aus der Grafenkrone, in welche er gefaßt ist, herausgeschraubt werden könne. Als sie dies versuchte, gelang es ihr, und nun entdeckten wir die beiden Miniaturporträts.“
    „Hat sie die fremde Dame gekannt?“
    „Nein. Aber sie hat mir versprochen, sich sogleich zu erkundigen, wer sie gewesen ist. Ich glaube, daß sie bereits heute deshalb nach Paris geschrieben hat.“
    „Ja, die Tante ist zuweilen in Paris; das stimmt. Es gibt Verhältnisse, welche ihre Anwesenheit dort zuweilen nötig machen. Es mag möglich sein, daß sie bei einer solchen Anwesenheit von Nanon gesehen worden ist. Stimmte denn das Bild mit der Dame?“
    „Ja. Mademoiselle erkannte sie sofort.“
    „Nun, dann ist es nicht notwendig, nach Paris zu schreiben. Fritz, Fritz, du weißt, daß ich große Stücke auf dich halte! Wenn du mein Cousin wärst!“
    Er trat nahe an ihn heran und faßte seine Hände.
    „Oh, Herr Doktor“, meinte der Diener ganz bescheiden, „in einer Beziehung möchte es mir fast leid tun, zu hören, daß meine Eltern vornehme Leute sind, denn ich versichere –“
    „Halt, dummes Zeug!“ unterbrach ihn Müller. „Ich weiß, was du sagen willst, und ich verstehe dich; aber du bist wenigstens

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