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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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war Absicht. Ich lasse dich festnehmen.“
    Der Bajazzo tat, als höre es dies gar nicht. Das Publikum drängte in Massen herbei und schob die Künstler auseinander. Dies benutzte der Mörder. Er ließ sich mit Absicht abdrängen und eilte dann mit dem Ruf „ein Arzt, ein Arzt!“ davon.
    Er erreichte ganz unangefochten den Gasthof, sprang über den Hof hinüber, zog den Schlüssel aus der Ritze, schloß auf und trat ein. Im Nu hatte er sich die Schminke abgewaschen, ebenso schnell flogen ihm die zurechtgelegten Kleider auf den Leib. Dann stülpte er einen Hut auf, ergriff die Kasse und trat aus der Kammer. Er verschloß diese und schleuderte den Schlüssel in das nahe Jauchefaß. Dies verschaffte ihm eine Frist, weiter zu kommen.
    Er war schlau genug, den Gasthof nicht durch den Eingang zu verlassen. Er schlich sich in den Garten. Für ihn als Bajazzo war es ein leichtes, sich mit der Kasse über den Zaun zu schwingen, und nun befand er sich auf einer Wiese im Freien. Er eilte über dieselbe hinüber, erreichte ein Gebüsch, welches ihn den Blicken seiner Verfolger entzog, und sprang sodann beflügelten Schritts dem nicht sehr fern liegenden Wald zu.
    Es hätte dieser Vorsicht und Eile gar nicht bedurft, denn auf Feld und Wiese befand sich heute kein Mensch, da alles in der Stadt geblieben oder nach derselben gegangen war, um der Vorstellung beizuwohnen, die nach der verlockenden Ankündigung eine noch nie dagewesene zu werden versprochen hatte.
    Auf dem Festplatz war natürlich alles in der fürchterlichsten Aufregung. Mit echt französischer Lebhaftigkeit drängte sich Mensch an Mensch, Masse an Masse. Die drei Mann Stadtsergeanten konnten nichts dagegen tun.
    Zahlreiche Angstrufe und Schreie ertönten, ausgestoßen von verletzten Menschen, bis endlich die Militärbesetzung ihre Schuldigkeit begriff und nach und nach Ruhe stiftete und Ordnung in das Gewühl brachte.
    Die Herrschaften von Ortry waren so klug gewesen, dem Rat Müllers zu folgen. Sie hatten schleunigst die Wagen aufgesucht und die Stadt verlassen.
    Noch immer lag die verunglückte Künstlerin auf derselben Stelle, auf welche sie niedergeschmettert war. Ein Haufe Volks umgab sie, und inmitten desselben knieten zwei Männer bei ihr, nämlich Doktor Bertrand und Fritz.
    „Wie steht es?“ fragte der letztere.
    „Schlecht, wie zu erwarten“, antwortete der Gefragte. „Wenn sie überhaupt zu sich kommt, so ist es nur, um sofort für ewig einzuschlafen. Bei einem Sturze aus solcher Höhe kann kein Mensch mit dem Leben davon kommen.“
    Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, so bewahrheiteten sie sich. Die Künstlerin bewegte leise den Kopf und schlug die Augen auf. Ihr starrer, verschleierter Blick fiel auf das ihr nahe Gesicht des Pflanzensammlers. Sie schien ihn doch zu erkennen, denn ihr Auge belebte sich, und ihre Züge machten eine vergebliche Anstrengung, ein freundliches Lächeln hervorzubringen. Dann bewegte sie ihre Lippen. Die beiden Männer hielten ihre Ohren näher hin und hörten deutlich die Worte:
    „General – Kunz von Goldberg – Vater – Rauben lassen Graf – Jules Rallion – Cousin Hedwig – Bajazzo – bezahlt – ah!“
    Sie konnte nicht weiter sprechen. Ein blutiger Schaum trat ihr vor den Mund; ihre Augen brachen; ein Zittern ging durch ihre zerschmetterten und zerbrochenen Glieder; der eine Arm versuchte, sich noch einmal zu erheben, als ob er sich an Fritz anklammern wolle; er sank nieder – ein lautes, leiser werdendes Röcheln und das Weib war tot, das noch vor einer Stunde in überstrotzender Lebenslust den Gesetzen weiblicher Anmut und Sitte schreiend Hohn gesprochen hatte.
    Damit waren auch die Umstehenden befriedigt. Die Tragödie war zum Abschluß gelangt. Sie entfernten sich, und keiner von ihnen betrauerte die Künstlerin, der vorhin noch alle zugejubelt hatten.
    „Was müssen die Worte und die Namen zu bedeuten haben, welche sie vorhin ausgesprochen hat?“ sagte Doktor Bertrand.
    „Sie bezogen sich auf mich“, antwortete Fritz.
    „Ah, Sie kannten wohl das Mädchen?“ fragte Doktor Bertrand.
    „Nein, doch sprach ich vor der Vorstellung mit ihr im Gasthof. Sie wollte mir nach derselben etwas Wichtiges mitteilen. Noch an der Schwelle des Todes hat sie sich an ihr Versprechen erinnert und es erfüllt, unvollständig, aber doch immer so, daß ich zufrieden sein kann. Was wird mit ihrem Leichnam werden?“
    „Er kommt in das Totenhaus; das werde ich jetzt sofort selbst besorgen. Und sodann muß

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