55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
man mit dem Direktor Abu Hassan sprechen.“
„Der wird im Gasthof sein. Ich gehe hin, ihn zu suchen.“
Als er den Gasthof erreichte, war der Direktor mit einigen seiner Mitglieder beschäftigt, die Tür zur Garderobe durch einen Schlosser öffnen zu lassen. Als dies geschehen war, zeigte es sich, daß die Tageskasse fehlte und mit ihr der gute Anzug eines der solidesten Künstler der Truppe.
„Der Bajazzo ist entflohen“, sagte Hassan. „Er ist der Mörder; ich habe es gesehen. Er muß verfolgt werden; ich werde sogleich zur Mairie laufen.“
Auch unserem Fritz war sehr viel daran gelegen, daß man des Flüchtigen habhaft werde. Doch wollte er nicht eher einen Schritt tun, als bis er mit Nanon und seinem Rittmeister gesprochen habe. Und bei diesem Gedanken fiel ihm die Leichengräberei ein, welche für den heutigen Tag festgesetzt war, und wozu er ja die Werkzeuge zu besorgen hatte.
Hierbei bot sich gerade Gelegenheit, mit Müller zu sprechen, und so beschloß er denn, schon im voraus das Werkzeug hinaus zu schaffen und in der Nähe des Grabes zu verstecken, um dann nach dem Schloß zu gehen und Müller zu erwarten. Auf dem Weg zum alten Turm hatten sie dann Zeit, sich mit Fritzens Angelegenheiten zu befassen, welcher Müller sicher seine ganze Teilnahme schenken würde.
Der Wirt des Gasthauses gab sehr gern zwei Hacken und zwei Schaufeln her. Fritz warf sie bereits zur Dämmerungszeit über den Rücken und wanderte hinaus nach dem Wald von Ortry. Es war bereits dunkel geworden, als er diesen erreichte. Er versteckte das Werkzeug neben dem Grab unter die Büsche und schritt sodann dem Schloß entgegen.
Als er es erreichte, sah er in Müllers Zimmer Licht brennen. Es war noch lange Zeit bis Mitternacht, und so zog er sich eine Strecke zurück und setzte sich an einer Stelle nieder, an welcher er Müllers Fenster beobachten konnte.
So saß er und überflog mit seinem Auge die Front des Schlosses. Hinter welchem Fenster wohnte Nanon? Dachte sie nur den hundertsten Teil so oft an ihn, wie er an sie? Welch ein Unterschied zwischen ihr, der Reinen und der Künstlerin, gerade wie zwischen Himmel und Hölle. Welches Glück, welche Seligkeit, die Liebe eines solchen Wesens zu erringen! Wäre doch auch ihm ein solches Glück beschert! Wie wollte er es bewahren! Aber er, ein armer Unteroffizier!
Da kamen ihm die Worte der Sterbenden wieder in den Sinn.
Wie hatten sie gelautet? „General – Kunz von Goldberg – Vater – Rauben lassen Graf – Jules – Rallion – Cousin Hedwig – Bajazzo – bezahlt –“
Was hatten diese Worte zu bedeuten? Gab es einen General, welcher Kunz von Goldberg hieß? Waren ihm die beiden Knaben geraubt worden? Ja, es standen unter dem Porträt in der Zahnhöhlung die Buchstaben K.v.G. War Graf Jules Rallion es gewesen, welcher die Knaben hatte rauben lassen? War dieser Rallion der Cousin von Hedwig? Wer war diese Hedwig? War sie vielleicht die Frau des Generals H.v.G. War der Bajazzo es gewesen, welcher die Knaben geraubt hatte? Von wem war er bezahlt worden? Von diesem Cousin, also von Graf Rallion? Das waren die Fragen, welche Fritz sich vorlegte.
Er sah ein, daß für ihn die Möglichkeit vorhanden sei, daß sein Leben von jetzt an eine neue, ungeahnte Richtung nehmen könne. Am meisten beschäftigte ihn der Umstand, daß ihm der Name ‚von Goldberg‘ nicht unbekannt war.
Sein Herr, der Rittmeister von Königsau, hatte einen Oheim, welcher diesen Namen trug und sogar General war, auch Kunz hieß, wie Fritz sich besann. Die Generalin von Goldberg war die Schwester der Frau von Königsau. Der General hatte keine Kinder; das wußte Fritz ganz genau, und was die Generalin betraf, so hatte er sie zwar noch nie gesehen, aber es war ihm bekannt, daß sie stets in tiefer Trauer gehe.
Er nahm sich jetzt vor, seinem Herrn alles zu erzählen. Er konnte von ihm den besten Aufschluß erhalten und wartete darum mit Ungeduld auf das Erscheinen desselben. –
Müller saß indessen in seiner Stube und schrieb. Um nicht beobachtet werden zu können, hatte er ein dickes Papierblatt auf das Glas geklebt, durch welches der alte Kapitän in das Zimmer zu blicken vermochte. Er ließ es dort auch kleben, als er fertig war, stieg dann zum Fenster hinaus, nachdem er sich umgekleidet hatte, kroch über das Dach hinüber und stieg am Blitzableiter hinab.
Fritz hatte ihn kommen sehen und empfing ihn, indem er leise herbeigeschlichen kam.
„Bist du bereits lange hier?“ fragte ihn
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