55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Baronesse ihre Arme um Müller, der mit ihr augenblicklich dem mutigen Diener folgte.
Jetzt begann für ihn ein hartes, fast übermenschliches Ringen mit dem empörten Element. Die Wogen türmten sich hoch, wie ein Sturm auf dem Meer. Sie rissen die Stämme mit sich fort und brachten gerade dadurch den beiden Schwimmern die größte Gefahr. Müller war mit dem Wasser vertraut. Er erkannte, daß es nur darauf zu achten habe, immer oben zu bleiben; der Strom zog ihn ganz von selbst mit fort und dem Ufer entgegen, das hier ja eine Krümmung machte.
Marion war zwar bereits infolge des Regengusses vollständig durchnäßt worden; aber als die tosenden Wellen über ihr zusammenschlugen, war es doch um sie geschehen, sie stieß einen Schrei aus und wurde ohnmächtig, Müller schwamm auf dem Rücken und legte sich die Gestalt des Mädchens quer über den Leib, sorgfältig darauf achtend, daß kein Wasser in ihren Mund fließe, und daß er nicht in Berührung mit einem der gefährlichen Balken komme. Sie lag regungslos auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen. Durch diese Lage wurde der herrliche Busen hervorgehoben, auf dessen schönen Formen Müllers Blicke trotz der Gefahr, in welcher er schwebte, immer wieder zurückkehrten. Er hatte das Schiff kaum verlassen, so versank es vor seinen Augen; das Donnern und Tosen des Sturms verschlang den Todesschrei derjenigen, welche sich noch an Bord befanden.
Fritz war nicht mehr zu sehen; der dichte Regen erlaubte Müller nicht, weit zu sehen; doch hatte er keine Sorge um ihn, da jener ein ausgezeichneter Schwimmer war. Zwar waren die Ufer nicht zu erkennen, aber wenn er sich nur immer so viel wie möglich links hielt, mußte er bald landen können.
So vergingen fünf Minuten, bis die phantastischen Gestalten alter Weiden im Guß des Regens auftauchten. Müller stieß noch einige Male kräftig aus und kam an das Ufer. Aber er mußte sich an den überhängenden Zweigen festhalten, um nicht fortgerissen zu werden. Es kostete ihn sehr große Anstrengung, festen Fuß zu fassen, ohne seine süße Bürde zu verlieren.
Nach mühevoller Landung legte er sie in das Gras nieder, um einige Augenblicke auszuruhen. Da lag sie bleich und regungslos. Das nasse Gewand legte sich eng an die herrlichen Glieder und ließ die Formen derselben so deutlich erscheinen, als ob sie unbedeckt seien. Müller achtete nicht auf den Regen; er vergaß das Brausen und Brüllen des Wassers; er sah nur die Heißgeliebte vor sich. Er ließ sich neben ihr nieder, nahm ihren Kopf in den Arm und legte seine Lippen auf den Mund, welcher, leise geöffnet, die köstlichen Zahnperlen sehen ließ. Er küßte, küßte und küßte sie wieder und immer, bis er fühlte, daß ihre Lippen warm wurden.
Da, da schlug sie langsam die Augen auf; ihr matter Blick ruhte auf ihm mit einem Ausdruck, als ob sie sich im Traum befinde. Der Sturm machte eine kurze Pause, und da klang es aus ihrem Mund:
„Richard!“
Er fuhr zurück; er hatte das Wort ganz deutlich vernommen, und er sah das glückliche Lächeln, unter welchem die Herrliche die Augen wieder schloß, um von neuem in Bewußtlosigkeit zu sinken. Das war ja sein Name! Aber er schüttelte den Kopf. Sie konnte doch unmöglich ihn gemeint haben! Jedoch sie hatte willenlos ein Geheimnis verraten; sie liebte bereits; sie liebte einen Glücklichen, welcher auch Richard hieß. War dies vielleicht Graf Rallion? Nein; Müller besann sich, daß dieser einen anderen Vornamen hatte, und fühlte sich durch diesen Umstand befriedigt, obgleich die Entdeckung, daß ihr Herz nicht mehr frei sei, sein Herz mit einem brennenden Schmerz durchzuckte.
Aber es war hier nicht der Ort, an diese Dinge zu denken; es galt vielmehr, die Baronesse unter ein schützendes Dach zu bringen.
Da, wo er an das Ufer gestiegen war, lagen wohlgepflegte Felder, ein sicheres Zeichen, daß menschliche Wohnungen nicht weit entfernt seien. Er eilte eine kleine Strecke am Fluß hinab und fand einen Weg, welcher oft betreten zu sein schien. Er holte die Baronesse und verfolgte, sie auf den Armen tragend, diesen Pfad, der schließlich in einen Fuhrweg mündete.
Da fühlte er, daß Marion sich bewegte. Halb noch von ihrer Ohnmacht umfangen, schlang sie die Arme um seinen Hals und legte den Kopf auf seine Achsel. Er fühlte die weiche Gestalt eng an sich liegen; er drückte sie fest und immer fester an sich, so daß ihr Busen an seiner Brust zu ruhen kam, und gelobte sich im stillen, jenen Richard kennenzulernen
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