55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
und mit ihm um den Besitz dieses unvergleichlichen Wesens in die Schranken zu treten.
Er mochte wohl zehn Minuten lang gegangen sein, ohne von der Schwere seiner Last behindert zu werden, als er einen Bauernhof bemerkte, auf dessen Eingang der Weg gerade zuführte. In dem großen, breiten Tor befand sich ein kleines Pförtchen, durch welches er eintrat. Die Bewohner des Gutes bemerkten ihn; sie sahen, daß er eine Dame auf den Armen trug und sprangen ihm entgegen.
Die Nachricht von dem verunglückten Schiff, welche er brachte, erregte die größte Bestürzung. Die Männer brachen sofort auf, um nach dem Fluß zu gehen und zu sehen, ob noch zu helfen und zu retten sei. Den Frauen aber übergab Müller die Baronesse, um sie zu entkleiden und in ein Bett zu legen. Dann kehrte auch er nach der Unglücksstätte zurück, besonders um nach Fritz und der anderen Dame zu suchen.
Der Regen hatte mittlerweile etwas nachgelassen, so daß man wieder in eine größere Entfernung sehen konnte. Der Bauer und seine Knechte erblickten den Schornstein des Schiffs, welcher schief aus den Fluten ragte. Am Ufer war kein Mensch zu sehen. Das Floß war zerrissen worden und verschwunden; es gab nichts zu retten.
Müller forderte die Leute auf, mit ihm stromabwärts zu gehen, und da fanden sie nach einiger Zeit eine sehr sichtbare Fährte im hohen Grase des Ufers. Hier mußte Fritz das Wasser verlassen haben.
„Vielleicht hat der Mann, den Sie suchen, unsere Wächterhütte gefunden“, bemerkte der Bauer.
„Wo ist diese?“
„Dort hinter jenem Erlengebüsch.“
Sie schritten darauf zu, hinter den Büschen erblickten sie eine sehr primitiv aus ausgeackerten Feldsteinen errichtete Hütte. Die Türöffnung derselben war ohne Verschluß, und die einzige Fensternische war mit Stroh verstopft. Als sie sich näherten, trat ein Mann hervor, es war wirklich Fritz, der Diener.
„Wo ist die Dame?“ fragte Müller.
Fritz deutete nach innen und antwortete:
„Da auf dem Stroh. Sie ist noch immer ohne Bewußtsein.“
„Hat sie vielleicht zuviel Wasser schlucken müssen?“
„Nicht halb soviel als ich. Übrigens dürfen Sie ohne Sorge sein; es ist jemand bei ihr, der es versteht, zu beurteilen, ob sie halb ertrunken ist oder ganz.“
„Ach, vielleicht Doktor Bertrand?“
„Allerdings. Er stand bereits am Ufer, als ich ankam. Wir fanden dann miteinander diesen Palast, in welchem wir uns bis jetzt ganz wohl befunden haben.“
Als Müller eintrat, kniete der Arzt bei der Dame. Er erhob sich sofort und sagte:
„Ach, Herr Doktor Müller! Ich muß sie um Verzeihung bitten, daß ich so ohne allen Abschied vom Schiff ging. Aber ich wußte die Damen unter der besten Aufsicht und hatte vor allem die Pflicht, mich als Arzt zunächst zu retten, um dann zu Diensten sein zu können. Diese Dame ist nur infolge des Schreckens ohnmächtig. Es wird nichts für sie zu fürchten sein, wenn wir sie nur so bald als möglich aus den nassen Kleidern und in einen guten Schweiß zu bringen vermögen.“
„Es ist ein Meierhof in der Nähe“, antwortete Müller. „Ich werde sie hinbringen, die Baronesse ist auch bereits dort.“
Er nahm das Mädchen auf die Arme und schritt den anderen voran, dem Bauerngut zu, wo der Arzt sich sofort zu der Baronesse begab, während die Frauen einstweilen für Nanon sorgten.
Marion war wieder zu sich gekommen und sehr erstaunt darüber, daß eine männliche Person es wagte, zu ihr zu kommen. Bertrand entschuldigte sich:
„Gnädiges Fräulein, ich bin Arzt und halte es für meine Pflicht, Ihnen meine Aufwartung zu machen, da sich keine andere wissenschaftliche Hilfe in der Nähe befindet.“
Diese Worte versöhnten sie sofort.
„Ach, Sie sind Arzt, mein Herr“, meinte sie. „Wo befinde ich mich?“
„Auf einem Meierhof in der Nähe der Unglücksstelle.“
„Wer hat mich hierher gebracht? Ist mein – Retter am Leben?“
„Er befindet sich wohl und hat Sie nicht nur aus den Fluten gerettet, sondern auch hierher getragen.“
„Wer ist dieser Mann?“
„Es ist ein Doktor der Philosophie, namens Müller.“
„Also ein Deutscher?“
„Ja. Glauben Sie, daß dieser Umstand geeignet ist, den Wert seiner Tat zu vermindern?“
„Oh, nicht im geringsten. Ich bin zwar Französin, aber keineswegs eine Deutschenhasserin aus Passion.“
„Das wird Herr de Sainte-Marie nur sehr ungern bemerken!“ lächelte Bertrand.
„Wie? Sie kennen meinen Vater?“
„Ich habe die Ehre, ihn sogar sehr genau zu kennen.
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