56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
den ich gastlich aufgenommen habe. Verletzt er das Gastrecht, indem er mein Kind beleidigt, so wird mein Dolch sein Herz finden. Und ist er gar ein Franzose, so – – –“
Er hielt inne; aber seine Miene sagte deutlich, was er auszusprechen zögerte.
„Sieh, er spricht mit ihr! Komm!“ sagte Saadi.
Er faßte den Scheik bei der Hand und zog ihn mit sich fort. Sie schritten schnell zwischen einigen Zelten hindurch und gelangten in das Freie. Die dort weidenden Tiere boten ihnen Deckung genug, unbemerkt in die Nähe des bedrängten Mädchens zu kommen. Ein starkes Lastkamel stand da, welches an den spärlichen Halmen naschte.
„Versteck dich hinter dem Tier“, sagte Saadi.
„Warum?“
„Ich werde ihn in der Sprache der Franzosen anreden. Vielleicht antwortet er mir in derselben; er würde dies aber nicht tun, wenn er dich sofort mit bemerkte. Der Sand wird unsere Schritte dämpfen.“
Der Scheik nickte und huschte mit einer Behendigkeit, welche man dem ernsten, gravitätischen Araber gar nicht zugetraut hätte, vorwärts, bis ihn der Leib des Kameles verbarg.
Saadi schlich sich ebenso behende heran und rief die bereits erwähnten Worte:
„Was tust du da?“
„Was geht es dich an“, antwortete der andere ebenso französisch, indem er sich herumdrehte und, zornig über die Störung, den Beduinen anblickte.
„Mehr als du denkst.“
„Mille tonnerres, wie meinst du das?“
Da trat der Scheik hinter dem Kamel hervor und sagte:
„Allah ist groß! Du redest die Sprache der Franzosen?“
Der Spion merkte jetzt erst, welch einen Fehler er begangen hatte; aber er faßte sich augenblicklich und antwortete, indem er auf Saadi deutete:
„Dieser doch auch.“
„Von ihm wußte ich es, von dir aber nicht. Was tust du hier?“
Erst jetzt ließ der Franzose die Hände des Mädchens los.
„Ich spreche mit Liama, deiner Tochter“, antwortete er.
„Aber du sprichst so mit ihr, daß sie um Hilfe rufen wollte!“
Die Hand des Scheiks hatte sich unwillkürlich an den Griff des Dolchs gelegt.
„Ich habe ihr nichts Böses getan“, meinte der Franzose.
„Sie hat mit dir gerungen.“
„Das tut jedes Mädchen im ersten Augenblick, wenn man mit ihr von Liebe spricht. Scheik Menalek, ich bitte doch, mit nach deinem Zelt zu kommen, denn ich habe notwendig mit dir zu sprechen.“
„Worüber?“
„Über Liama.“
„Hier steht sie, und hier stehe ich. Rede! Wir brauchen nicht erst nach dem Zelt zu gehen, denn wir können deine Worte hier ebenso deutlich verstehen.“
Das kam dem Franzosen unerwartet. Auch war die Miene des Scheiks keineswegs so, daß sie ihm hätte Mut machen können. Bei einer Unterredung im Zelt hätte er auf den Beistand Richemontes rechnen können, während er hier allein war. Darum sagte er, auf Saadi deutend.
„Aber dieser hier?“
„Er darf alles hören“, antwortete der Scheik. „Sprich! Ich höre.“
Dagegen gab es nun keine weiteren Einwendungen. Darum begann er zögernd:
„Ich – ich – – – ich liebe deine Tochter.“
Der Scheik nickte ernst, ohne eine Antwort zu geben.
„Ich hoffe, daß du mir dies nicht verbietest.“
„Ich kann es nicht verbieten.“
„Ich bitte dich, sie mir zum Weib zu geben.“
Der Scheik warf mit einem stolzen Lächeln den Kopf zurück und sagte:
„Du sprichst mit sehr kurzen Worten. Ich bin Menalek, der Scheik der Beni Hassan. Die Herden, welche du hier siehst, sind mein Eigentum. Wer aber bist du, und wo weiden deine Herden?“
Diese Fragen brachten den Franzosen in Verlegenheit. Er konnte ohne Richemonte keine Auskunft erteilen; darum antwortete er: „Ich bin reich! Sprich mit meinem Vater. Er wird dir sagen, wer wir sind, und was wir besitzen.“
„Wird er mir das in der Sprache der Franzosen sagen?“ fragte der Scheik boshaft.
„Er versteht sie nicht; er ist ein Beduine gerade wie du.“
„Aber du verstehst sie.“
„Nur wenige Worte, welche ich zufällig gehört habe.“
„Hast du Liama gesagt, daß du wünschst, sie zum Weib zu haben, und was hat sie dir geantwortet?“
Der Franzose zögerte mit der Antwort. Er fühlte sich höchst verlegen.
„Liebt sie dich?“
„Ich weiß es nicht.“
„Du lügst! Du weißt, daß sie dich nicht liebt; sie muß es dir gesagt haben, denn sie hat ihr Herz bereits einem anderen geschenkt.“
Der Franzose fuhr empor.
„Wem?“ fragte er rasch.
Der Scheik deutete auf Saadi und antwortete:
„Hier steht er, den sie liebt, und dem ich sie versprochen habe.
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