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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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bei ihm gerne singen lernen täte, jeder, der sich die genagelten Schuhe selbst schnüren kann, möchte heute schon ein Star werden.
    Dem Biermösel ist es aber wurscht, wenn die Hallelujagänse vom Singkreis und die Zimttörtchenscheißerinnen vom Geld­adel ihr Näschen rümpfen, mit denen will er ja sowieso nichts zu tun haben, also keine falsche Rücksichtnahme dort, wo keine falsche Rücksichtnahme angebracht ist, im Gegenteil: Je mehr es von denen unter der stetig zunehmenden Hitze dahinrafft, desto glücklicher wird er sein. Und hoppala, plus 41,8 ° im Schatten.
    Das einzige Gute am Sauwetter ist ja, dass man von den depperten Nachbarn nicht allzu viel mitbekommt, außer vielleicht ihren Hausbrand in die Augen, wenn die Wetterlage wieder einmal entsprechend reversiv ist, das ist dem Biermösel seine Meinung zu dem immer weiter um sich greifenden Problem mit den Nachbarn. Ab einer geschätzten Temperatur von fünf Grad plus aber glaubt ein jeder, dass er das Fenster aufreißen und sein komplett uninteressantes Leben vor das ganz große Publikum nach draußen tragen kann.
    Kaum hat es sich der Biermösel auf seiner Schwitzhütte halbwegs gemütlich eingerichtet und das Depot für seine ausgedehnte Ganztagessiesta samt Feuerwerk aufgefüllt, da reißt es ihm schon wieder die Ohrwascherl weg, weil der Erste von vielen die Gebote der geheiligten sommerlichen Ruhe bricht. Kaum stellt er in der Früh die Füße in seine Schlapfen hinein, dreht in diesen sonnigen Tagen schon wieder irgendwo irgendwer sein deppertes Radio Saftige Heimat auf Vollgas, und das natürlich bei sperrangelweit geöffneten Fenstern, sodass der Biermösel sich auf seiner sommerlichen Schwitzhütte bald vorkommt wie der Maulwurf am Campingplatz – jede gerissene Strumpfnaht kann er hören, jede abfallende Schuppe, jeden letzten Atemzug. Der Biermösel hört einfach alles in dieser flirrenden Hitze und verflucht den Tag, an dem einer das offene Fenster erfunden hat.
    Kein Wunder, dass er seither immer öfter an die komplette Auslöschung vom Volk denken muss, wenn er an sein Volk denkt. Je weniger der Biermösel von den Menschen und ihren Eigenheiten mitkriegt, desto lieber sind sie ihm, das ist seine Meinung zu den Menschen. Aber leider fördert die Eigenheiten der depperten Leute nichts stärker zutage als der alljährliche, sinnlose Wunsch, als hoffnungsloser Einheimischer dann doch noch zu einem stilvollen Südländer zu werden und den immer vermuteten, aber verschüttet geglaubten Samba auszuleben, und zwar im eigenen Garten. Da muss der Biermösel leider auch ein bisserl mit sich selber schimpfen, dass er das den Menschen mit seiner Erderwärmung erst ermöglicht.
    „Plus 42,3 ° im Schatten, Kreuzkruzifixnocheinmal und Halleluja!“, jammert der bärige Hansi auf Radio Saftige Heimat­, „was ist denn bitteschön los auf der Welt, dass sie uns so einheizen muss, was wird denn das für unser einmalig saftiges Humtata-Wochenende und unsere allzeit willkommenen Tagestouristen und Sommerfrischler heißen? …“
    „… Für die ganzen Elenden und Verdammten!“, korrigiert ihn der Biermösel, die zum alljährlichen Zeltfest am Humtata-Wochenende ins Tal hereinströmen, in ihren überteuert gekauften Trachten, auf ihren allzu weißen Waden, in ihren viel zu hohen Autos und mit den allzeit lästigen Rotzlöffeln hinten auf der Bank. Die ganzen unbefriedigten und gierigen Weiber aus der Stadt, die sich ein Abenteuer mit dem Joe erträumen, der die Quetschenharmonika spielt, aber dann immer enttäuscht sind, dass der Quetschenharmonikaspieler lieber einen Joe raucht, der über die Balkanroute importiert wird, als dass er sich auf ein Abenteuer mit den depperten Weibern einlässt. Oder – wenn man vom starken Geschlecht spricht – die ganzen Affen aus der Stadt, die gar nicht mehr glauben können, dass das ganze Duttelzeug unter den Dirndln bei den einheimischen Milchkühen echt ist, und die das Naturprodukt dann unbedingt angreifen wollen, was dann natürlich unweigerlich zu gröberen Bierzeltraufereien führt, heilige Maria!
    Der angenehmste Nebeneffekt an seiner Erderwärmung ist ja, dass sie auch unangenehm riecht!
    Viel Kontakt haben er und die Roswitha im Sommer nicht mit dem übrigen Volk, und das übrige Volk nicht mit ihnen. Er und die Roswitha haben auch in früheren Sommern schon nie auf das Geschäft mit den Sommerfrischlern und Tagestouristen in ihren Reisebussen drinnen geschielt. Er selbst hat sich nie in der Lederhose

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