56,3° Im Schatten
dass sich die Politik nicht vorstellen kann, dass einer auf jeden Fall grillen wird, wenn er grillen will. Er jedenfalls ist keiner, der wegen der depperten Nationalratswahl auf seinen lange hinausgeschobenen Urlaub samt Wildsau am Spieß verzichten wird, das ist er vom Typ her einfach überhaupt nicht. Nur weil er in den letzten Wochen wie der alte Löwe in der Savanne auf seiner faulen Haut herumliegt und keinen kleinen Zeh mehr rührt, braucht noch keiner zu glauben, dass er nicht noch einen gewaltigen Hieb in seiner Pranke stecken hat (wie der alte Löwe in der Savanne). Zum Jason Castelli im Dschungel von Kongolien zum Beispiel sagt ja auch keiner ungestraft „Urlaubssperre!“, schlag nach in Folge 3298, als die königliche Majestät ungestraft per Telefon aus dem Palast heraus zu ihm „Urlaubssperre!“ gesagt hat, weil sie an diesem Tag justament reiten gehen wollte und er auf sie hätte aufpassen sollen, und als Dank dafür hat sie dann eine ordentliche Beleidigung geerntet. Also falls einer aus der heimischen Regentenschaft so deppert sein sollte und ihm in sein Revier hereinscheißen will, dann hat der Biermösel gewiss seine Mittel und Wege, dass die Wahlen nicht stattfinden werden, und er redet jetzt sicher nicht von einer Beleidigung oder so was.
Anders als das ganze depperte Knechtsvolk wird sich der Biermösel nicht mehr mit dem gedachten und erträumten Protest zufriedengeben, mit ein paar geschwenkten Fahnen oder dem Absingen von Protestliedern („Chef vom Ganzen! Chef vom Ganzen! Haut ihm eine in den Ranzen!“), mit einem sorgfältig formulierten Brief oder dem Umschmeißen von Wahlplakaten und dem anschließenden Draufscheißen.
Als Aktiven hat ihn die Politik ja nie gereizt, obwohl der Biermösel natürlich das Zeug dazu gehabt hätte – elend genug ist er, dreckig genug ist er auch, und die faule Haut als Gehrock steht ihm ganz ausgezeichnet. Aber in der Politik sind die Reihen vorne und hinten dicht gestellt mit den Dümmsten und Unfähigsten, das hat er auf der morgendlichen Fahrt hierher auf den Posten wieder einmal in der Straße der Sieger gesehen, unter der auch jetzt noch der Kanal und die Scheiße dahinrinnt. Die Reihen sind dort schon so dicht mit Plakatständern gestellt, dass er dort sehr leicht seinen erwünschten Nach- und Erbfolger in das Wahlfach „Schießen“ hätte einführen können, nicht zu verwechseln mit dem Pflichtfach „Scheißen“ natürlich.
Was für eine Verschwendung, dass er nicht weitergeben kann, was er weiß über das depperte Volk und das saftige Land, über die Flüsse und Seen (die keine mehr sind), über das Bier und die Zelte, über das Wirtshaus und die Schlägereien, über die Sonne und den Mond. Wie traurig, dass ihm keiner mehr zuhört, wenn er vom Grillen und den Säuen redet, von den Ackerbauern und Viehzüchtern! Was für ein Verlust, dass es – nach allem, was man heute weiß! – keinen Erbfolger gibt, den er zu einem hitzebeständigen Krieger mit stets offenem Visier hätte ausbilden können, zu einem widerständigen, eigensinnigen Denker, der sich auch zur Politik seine Gedanken macht.
Der Biermösel hätte seinen Kronprinzen in der Straße der Sieger von der Fips absteigen lassen, ihm die Doppelläufige in die Hand gedrückt und ihm „Politische Bildung“ beigebracht:
„Da ist der Chef vom Ganzen, und jetzt schieß!“
„Wohin soll ich denn schießen?“, hat er sich den Erbfolger als politisch leidenschaftlich interessierten Ballermann vorgestellt, und der Biermösel hätte ihm gerne mit Rat und Tat zur Seite gestanden:
„Auf die schmalen Lippen! Zwischen die gemeinen Augen! Entlang vom Scheitel! Kruzifix, ist doch wurscht, wo du den Jazzer triffst, Hauptsache, du haust ihn um!“
Der politische Mord ist nach Meinung vom Biermösel sowieso zu Unrecht ein bisserl aus der Mode gekommen.
Weil er aber keinen Nachfolger parat hat, jedenfalls nach allem, was man heute weiß, hat er wieder alles selber umschießen müssen, und jedes Mal, wenn er den Chef vom Ganzen mit einem gezielten Schuss zerfetzt hat, ist dem Biermösel zur Feier ein Schöner ausgekommen, und hoppala, plus 42,3 – plus 43,6 ° im Schatten, und das in einer halben Stunde.
Ansprache
Vielleicht ist ja doch noch nicht alles zu spät, denkt sich der Biermösel dann im Bierdusel, vielleicht geht sich ja noch ein Nachfolger aus, mit einer leichtbeschürzten Heldin, die ihn aus seinem Elend herausholt wie am Ende von jeder Geschichte irgendeine leichtbeschürzte
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