56,3° Im Schatten
liegen und auf ihm drauf der Eber. Der erfahrene Ermittler im Biermösel spürt sofort, dass der Gehörnte mit ihm reden will, über das schreckliche Unglück mit den Weibern, das ihm widerfahren ist und von dem der Biermösel Zeuge war. Aber nachdem er ihn über den Sachverhalt aufgeklärt und ihm ein paar tröstende Worte gespendet hat („Ich hab sie beide erledigt! – Die Sau war es nicht wert!“), befreit er sich von dem Waschlappen, indem er ihm den Schweineleberhaken verpasst, der ihn dann oben am Himmelszelt ein paar Sterne mehr sehen lässt, als so eine brennend heiße Vollmondnacht normalerweise zu bieten hat, und weiter geht die nächtliche Reise.
Genügt es nicht, dass ihm die eigene Mutti mit einem Franzosen davongerannt ist, fragt er sich mit geballter Faust, während er sich langsam in eine Streubombe verwandelt. Muss ihm jetzt auch noch die anvisierte Grillsau mit einem Franzosen davonrennen? Wie viel Demütigung kann der Mensch ertragen, bevor er zur alles zerstörenden Terrormaschine wird?
Das fragt sich der Biermösel schon beizeiten.
Körperlich könnten die Voraussetzungen für einen vernichtenden Schlag gegen alles und jeden nicht günstiger sein als jetzt. Er ist zum Zerreißen gespannt, wie der Stier in der Arena schabt er zornig im Sand. Als denjenigen aus dem Trottelvolk, der sich gegen die Herrschaft der Tribune auf die Füße gestellt hat, soll ihn die sterbende Welt in Erinnerung behalten.
Der Biermösel könnte jetzt natürlich kindisch sein und auch einfach Plakatwände umwerfen und dann anmalen, wie er das auf der Heimfahrt durch die Straße der Sieger immer wieder gesehen hat. Aber sollen die mutmaßlichen Rotzbuben ruhig weiterhin ihre Malstifte in die Hand nehmen und dem Chef vom Ganzen Hasenzähne aufmalen oder Schweinsohren, er selbst hat andere Pläne. Die heißen Wüstenwinde, die er bereits auf die Reise geschickt hat, die Feuerwalzen, die schon über die Erde rollen bis weit hinter die Pyrenäen, werden ein laues Mailüfterl gewesen sein gegen die Flächenbrände, die er noch zu entfachen gedenkt –
Feuer, zieh mit mir!
Bevor der Biermösel losschlagen kann, muss er freilich erst noch ins Gewand des Terroristen hineinhüpfen und sich Brandmale des Terrors in den Arsch brennen lassen, die ihn als solchen erkennbar machen.
Während der Sommermonate aber, wenn die Sommerfrischler und Tagestouristen mit ihrer Erlebnisgier das Land überschwemmen, hält die Roswitha das Wirtshaus immer geschlossen, weil es bei ihr normalerweise nichts zu erleben gibt. Und heute ist der Auerhahn erst recht kein einladendes Ziel mehr, sondern nur noch eine von Waldbränden umzüngelte und von Halbverdurstenden belagerte Festung mit einer Schweinsbratenküche in der Mitte (für die sich niemand interessiert) und einem gut gefüllten Bierkeller darunter, der allerdings auch schön langsam zur Neige geht, weil sein Freund Grasmuck oben im Dachboden, wo er ihn als zusätzliches Geschoß aufgebockt hat, fast noch mehr Zufuhr für seine Ausstöße benötigt als er selbst.
Wie das fleißige Eichhörnchen hat der Biermösel sich dort unten auf dem kühlenden Erdboden und entlang des steinernen Gemäuers über Jahre ein gewaltig dimensioniertes Bierdepot eingerichtet, damit nicht eines Tages der furchtbare Fall eintritt, dass er nicht mehr könnte, wenn er muss, und er redet jetzt nicht von Nicht-scheißen-Können, er redet von Nicht-saufen-Können.
Das Wichtigste beim ausdauernden Ansaufen gegen die widrigen Umstände ist ja, dass es möglichst ohne Unterbrechung dahingehen muss, weil so ein Körper mit so einer Leber drinnen ja vieles verträgt, nur nicht die Abweichung von der Norm. Lieber also ein Leben lang gleichmäßig und auf höchstem Niveau dahinsaufen und sich zur Not aus einem bis oben hin angefüllten Vorratspeicher bedienen können, als immer nur ruckweise und defensiv am Getränk zu nippen und das vielleicht überhaupt mit dem falschen Vorsatz, dazwischen immer wieder einmal kurz aufzuhören oder – noch schlimmer! – irgendwann überhaupt ganz aufzuhören, weil sich das Bier im Körper angeblich in nichts anderes als Zucker verwandelt, aber darauf sowieso geschissen!
Die Roswitha kann ihr Wirtshaus aber natürlich nicht unbewacht lassen und womöglich auf Kur fahren oder an den Sandstrand von Rio, nur weil sie über den Sommer die Pipeline nicht aufdreht, jedenfalls dann nicht, wenn draußen noch immer groß das BIER-Schild über der mehrfach (vom Biermösel selbst)
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