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57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht, bis sie selbst das Wort ergreift.“
    Sie schüttelte traurig den Kopf.
    „Ich verstehe dich nicht ganz. Ich höre nur, daß ich schweigen soll, und ich werde schweigen. Aber als ich dich stets so kalt sah, während andere so viel anders sind, so dachte ich, daß mein Herr doch recht haben könnte.“
    „Recht? Worin?“
    „Er hält dich für einen Polizisten. Er traut dir nicht.“
    „Da ist er allerdings kein sehr scharfsinniger Mann. Er traut mir nicht? Also deshalb mußte ich den Tisch verlassen?“
    „Ja, deshalb.“
    „Er hätte mich ruhig und unbesorgt sitzen lassen können. So lange er mir nicht schadet, hat er auch von mir nichts Schlimmes zu erwarten. Aber neugierig bin ich doch, zu wissen, was es ist, weshalb man mich forttrieb.“
    „Ich weiß es auch nicht.“
    „Wirklich nicht?“
    „Nein“, antwortete sie im Ton der Aufrichtigkeit. „Ich kann dir allerdings anvertrauen, daß er einer der berühmtesten Hehler der Hauptstadt ist, aber beweisen könnte selbst ich ihm nichts. Er duldet niemals, daß man ihn beobachtet. Um ein solches Geschäft scheint es sich auch heute zu handeln.“
    „So geht es mich allerdings nichts an. Schweigen wir also darüber.“
    „Daraus sehe ich, daß du allerdings kein Detektiv bist, denn ein solcher würde mich so weit wie möglich ausfragen. Wenn Vater Main nämlich eine Sendung gestohlener Waren erwartet, so ölt er stets zuvor die Angeln der alten Tür ein, welche sich hinten in der Mauer befindet.“
    „Das hat er heute also auch getan?“
    „Ja. Ferner verbietet er uns, das Schanklokal zu verlassen. Erst wenn die Ware geborgen und der Hof wieder leer ist, meldet er, daß wir nun wieder hinaus dürfen.“
    „Dieses Verbot hat er auch heute ausgesprochen?“
    „Ja. Wir dürfen nicht einmal die Treppe empor. Er muß eine ungewöhnlich bedeutende Sendung erwarten, denn er hat ein Zimmer des dritten Stockes ausgeleert. Unbegreiflicherweise aber hat er einige Möbel hineingestellt.“
    „Ich befürchte, daß er zuviel wagt und trotz seiner List doch einmal erwischt wird. Es sollte mir sehr leid tun, wenn auch du dann in Verdacht kämst!“
    „Tät es dir wirklich leid?“ fragte sie erfreut. „Natürlich würden auch wir arretiert, wenn man ihn ergreift. Aber man würde uns doch laufen lassen müssen!“
    „Ich würde lieber vorher laufen.“
    „Wohin? Wer nimmt mich weg? Wer nimmt mich auf? Von einem Mädchen meines Standes mag kein Mensch etwas wissen. Wir sind verloren. Wer rettet uns?“
    „Gibt es nicht Rettungshäuser und Magdalenenstifte?“
    Sie sah ihn groß an.
    „Das sagst du mir? Du?“ fragte sie. „Soll ich in ein solches Haus gehen, um mich dort höhnen zu lassen? Ist der Mensch ein Material, an welchem man Experimente macht? Habe ich mich dann einige Jahre gut geführt, so bekomme ich ein Zeugnis, daß ich eine gebesserte Sünderin bin, der man doch aus Mitleid Vertrauen schenken und irgendeine Arbeit geben möge. Nein! Entweder sterbe ich hier, oder ich steige aus diesem Elend empor an einen Ort, an welchem man mich nicht kennt, an welchem ich leben und arbeiten kann, ohne mich bis an das Ende meiner Tage schämen zu müssen!“
    Er fühlte, was sie sagen wollte; er begriff, daß sie nicht ganz unrecht habe, obgleich sie ihren Gedanken nicht den gehörigen Ausdruck zu geben vermochte. Dieses Mädchen besaß doch vielleicht noch genug Kraft, sich aufzuraffen und so sagte er, von Mitleid bewegt:
    „Wenn du nun die Mittel hättest, ein anderes Leben zu beginnen, würdest du niemals wieder Kellnerin an einem solchen Ort werden?“
    „Niemals, nie! Ich würde lieber arbeiten, daß mir die Haut von den Händen fiele. Aber woher soll ich diese Mittel nehmen? Ich habe niemand, der sich meiner erbarmt!“
    Die Tränen waren ihr in die Augen getreten. Er fühlte sich aufrichtig bewegt und meinte:
    „Hast du nicht mich?“
    „Dich? O ja, an dich würde ich glauben. Dir traue ich es zu, daß du mir helfen möchtest. Aber es wäre ja Wahnsinn zu glauben, daß du mich zu dir nehmen wolltest.“
    „Ich sehe, daß du verständig bist, Sally. Du liebst mich, und ich hege eine innige Teilnahme für dich; aber unsere Wege führen uns auseinander. Dennoch werde ich dich bitten, eine Summe von mir anzunehmen, welche dich in den Stand setzt, ein gutes Mädchen und dann vielleicht auch eine glückliche und geachtete Frau zu werden.“
    Sie war bleich geworden. Ihr Auge ruhte auf ihm mit einem Ausdruck, den er nicht zu definieren vermochte. Was

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