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57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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für Regungen kämpften jetzt in ihrem Innern miteinander? Hatte sie vielleicht doch einen Augenblick lang geglaubt, daß sie die Frau dieses Mannes werden könne, den sie ja doch auch nur für einen mit den Gesetzen Zerfallenen halten mußte? Endlich, endlich kehrte die Farbe wieder in ihr Gesicht zurück. Sie ergriff seine beiden Hände und fragte leise und mit bebenden Lippen:
    „Wolltest du das wirklich tun, Arthur, wirklich?“
    „Ja“, antwortete er, „und zwar gern, sehr gern!“
    Da legte sie die Hände wie betend zusammen, blickte ihm mit rührender Dankbarkeit in das Gesicht und flüsterte:
    „Oh, mein Gott, so könnte ich zu meinem Bruder gehen!“
    „Wie? Du hast einen Bruder?“
    „Ja. Wir waren Waisenkinder und wurden von einer alten Frau erzogen, mit welcher wir betteln gehen mußten. Mein Schicksal kennst du. Mein Bruder war glücklicher. Er entfloh dem Weib, weit fort von Paris, und wurde Knecht auf einem Gut. Das ist er noch. Vielleicht bringt er es so weit, daß ich dort einen Dienst finde.“
    „Das wollen wir uns überlegen. Morgen komme ich wieder und werde dir Bescheid sagen. Jetzt wollen wir nach dieser Aufregung ein kurzes, beruhigendes Spielchen machen.“
    Er griff nach dem Damebrett, welches beim nahen Fenster lag, und begann, die Steine zu ordnen. Er hatte zwei Gründe dazu. Einmal wollte er von dem jetzigen Thema ablenken, und sodann sagte er sich, daß es ihm während des Spiels vielleicht gelingen werde, etwas von der leisen Unterhaltung zu hören, die hinter ihm geführt wurde.
    Sally spielte leidlich Dame. Sie war glücklich, bei dem Geliebten sitzen zu dürfen, und hatte nichts gegen seinen Vorschlag einzuwenden. Er war ein Meister und ihr weit überlegen; aber dennoch tat er vor jedem Zug, als ob er denselben reiflich überlegen müsse. Während dieser Augenblicke lauschte er aufmerksam hinter sich, und es gelang ihm wirklich, einiges zu vernehmen.
    „Ist der alte General wirklich so reich?“ hörte er fragen.
    „– hunderttausend Franken wird er bezahlen, um sie wieder zu bekommen“, lautete die Antwort, deren ersten Teil er nicht hatte verstehen können.
    „– eines Generals entführen?“ klang es weiter.
    Jetzt mußte der Changeur einen Zug tun. Sally sprach einige kurze, bemerkende Worte, und erst dann hörte er hinter sich wieder die flüsternde Stimme des Wirtes:
    „– Fiakerkutscher – Nummer aufgeklebt – Haartouren und Bärte – so teilen wir – mir wird niemand etwas nachweisen können.“
    Dies waren lauter Worte und Satzteile, welche für ihn keinen Zusammenhang hatten. Er konnte nicht unterscheiden, ob etwas Vergangenes erzählt oder etwas Zukünftiges verabredet werde; aber doch machten die Worte den Eindruck auf ihn, daß sie wert seien, gemerkt zu werden.
    Der Wirt hatte sich erhoben, trat erst an den anderen Tisch und nachher zu ihm mit der Bemerkung:
    „So ist's recht, Changeur! Spiele mit der Sally. Nach dem Spielzimmer wirst du ja heute doch nicht kommen.“
    „Warum nicht?“
    „Weil heute nicht gespielt wird. Die Kameraden haben abgesagt.“
    „Mir recht. Ich hatte überhaupt gar nicht die Absicht, lange hier zu bleiben. Ich gehe heim.“
    „O nein; bleib noch hier!“ bat Sally.
    „Bis diese Partie zu Ende ist; dann gehe ich. Ich bin müde vom letzten Geschäft und muß schlafen.“
    „Aber morgen kommst du wieder? Ganz bestimmt?“
    „Ja.“
    Der Wirt war an das Buffet getreten. Niemand blickte jetzt her. Da ergriff sie seine Hand, drückte die an ihre Lippen und flüsterte:
    „Diesen Kuß, diesen einzigen, mußt du mir erlauben! Er ist besser als derjenige, den ich immer von dir haben wollte.“
    Er bezahlte seine Zeche und ging. Kaum war er zur Tür hinaus, so trat der Wirt vom Buffet, wo er in einem Kästchen gesucht hatte, zu Brecheisen und sagte halblaut:
    „Hier ist die Polizeimarke. Schnell nach!“
    „Gibt es denn genug Zeit dazu?“
    „Vollständig! Nur spute dich, daß du ihn nicht aus den Augen verlierst!“
    Der Einbrecher steckte die Marke zu sich und eilte dem Davongegangenen nach.
    Der Changeur schritt ziemlich langsam die Straße entlang. Zwischen zwei Laternen angekommen, wo die Beleuchtung nur eine sehr spärliche war, da in diesem entlegenen Stadtteil die Lampen weiter auseinander waren als im Inneren der französischen Metropole, warf er, ohne halten zu bleiben, einen raschen Blick zurück. Ungefähr fünfzig Schritte hinter sich bemerkte er einen Mann, mit einer Bluse bekleidet und einem

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