Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
hatte also jedenfalls auf den Wirt und die anderen gar nicht geachtet.
    Und doch täuschte sich Vater Main.
    Als der Changeur sich zu Sally gesetzt hatte, war diese herangerückt und hatte, ihn liebevoll in die Augen blickend, gesagt:
    „Endlich! Endlich habe ich dich allein bei mir! Du Böser! Warum wolltest du nicht gleich zu mir kommen?“
    Sie war früher jedenfalls ein sehr schönes Mädchen gewesen. Sie war jetzt noch hübsch und verführerisch, allerdings nur für einen, welcher sich über die Zeichen hinwegsetzt, welche ein unkeuscher Lebenswandel im Wesen einer jeden Gefallenen zurückläßt.
    Er schüttelte leise den Kopf und antwortete:
    „Was hast du für ein Recht dazu, mich bei dir zu haben?“
    „Das Recht der Liebe!“
    „Pah! Mir machst du nicht weis, daß du mich liebst!“
    Sie zog erstaunt den Kopf zurück, sah ihn forschend an und sagte in vorwurfsvollem Ton:
    „Du glaubst nicht, daß ich dich liebe? Hast du Gründe dazu?“
    „Ja“, antwortete er kurz und ernst.
    „So nenne sie!“
    „Vor allen Dingen einen: Du spielst mit Vater Main unter einer Decke!“
    „Pst! Nicht so laut! Er könnte es hören!“
    Da aber traten eben jene neuen Gäste ein, und die laute, lebhafte Unterhaltung, welche diese führten, gaben dem Changeur Gelegenheit, in dem Thema fortzufahren:
    „Er hört es nicht. Also antworte mir.“
    „Ich stehe in seinem Dienst, also muß ich ihm gehorchen.“
    „Auch gegen mich?“
    „Gegen dich, Arthur? Was habe ich gegen dich getan?“
    „Er wollte, daß ich dort fortgehen sollte. Er winkte dir, und du riefst mich hierher. Du hilfst ihm gegen mich. Ist das nicht so?“
    „Nein.“
    „Was sonst?“
    „Es war das nur eine Geschäftsrücksicht. Er hat mit den anderen irgendein Geschäft zu besprechen. Du solltest nichts davon hören. Das ist alles.“
    „Was für ein Geschäft ist es?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Ah, du bist zurückhaltend. Und da soll ich an Liebe glauben!“
    Sie liebte den schönen Mann mit der ganzen Glut, welche Mädchen dieser Art fühlen, wenn sie einem ihnen moralisch überlegenen Menschen eine tiefere und dauerndere Teilnahme widmen. Sie sah sich in die Enge getrieben und sagte:
    „Arthur, ich habe dich so lieb, daß ich für dich sterben könnte. Das würde mir nicht schwer werden, denn dieses Leben ist mir doch zur Last. Es passiert allerdings sehr viel in diesem Haus, was niemand wissen und erfahren darf; selbst ich weiß nicht alles; aber das Wenige, was ich weiß, würde ich dir nicht verschweigen, wenn ich sähe, daß ich dir nicht zuwider wäre. Du aber kannst mich nicht leiden!“
    Sie hatte das im Ton so ehrlicher Aufrichtigkeit, so innigen Bedauerns gesprochen, daß er sich des Mitleides nicht erwehren konnte.
    „Warum denkst du denn, daß ich dich nicht leiden kann?“ fragte er freundlicher, als er bisher mit ihr gewesen war.
    „Das fragst du noch? Wie oft sind wir allein gewesen, und selbst, wenn das nicht der Fall ist, bekümmert sich kein Mensch um das, was wir tun. Hast du mich jemals vermuten lassen, daß du ein Interesse für mich hast? Du kommst herein und setzt dich zu anderen, wenn Gäste da sind. Und bin ich allein, so suchst du dir einen fernen Stuhl. Berühre ich dich mit der Hand, so zuckst du zusammen, gerade wir vorhin. Hast du mich jemals mit einem Finger berührt? Nein! Und als ich dich kürzlich um einen Kuß bat, da wurdest du so zornig, wie ich es dir bei deinem stillen Wesen gar nicht zugetraut hätte.“
    „Sally, ein Mädchen darf nicht um einen Kuß bitten!“
    „Aber wenn es so sehnlichst einen wünscht und doch keinen erhält!“
    „So muß es Geduld haben. Du kennst die Liebe nicht. Gerade wenn man sie überlaut ruft, zieht sie sich zurück.“
    Er hatte unwillkürlich ihre Hand ergriffen. Es war dies das erstemal, daß es geschah, und bei dieser Berührung trieb ihr der Herzschlag das Blut empor, daß ihr Gesicht vor Glück erglühte. Dieses arme Mädchen war vielleicht ohne eigenes Verschulden durch die Verhältnisse von Stufe zu Stufe in die Tiefe getrieben worden. In einer Weltstadt steigt und fällt man leichter als anderswo, auch moralisch.
    „Sie zieht sich zurück?“ fragte sie aufatmend. „Sie wäre also dennoch da und wollte bloß sich nicht erblicken lassen?“
    Sie sah ihm dabei so warm, so innig, so sehnsüchtig in die Augen, daß er, ganz ohne es zu wollen, ihre Hand drückte.
    „Oh“, meinte er, „sie will sogar, daß man nicht einmal von ihr spricht, wenigstens so lange

Weitere Kostenlose Bücher