57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
fragte:
„Hölle und Teufel! Was wissen Sie von drei Steinen? Was bringt Sie zu dieser unbegreiflichen Vermutung?“
„Es hat mir geträumt, das ist die einzige Erklärung, welche ich zu geben vermag. Wollt Ihr das Kästchen der Polizei übergeben, so habe ich ganz und gar nichts dagegen. Die Lust aber, mich wegen Euch in Gefahr zu begeben, ist mir vergangen.“
Er näherte sich der Haustür, welche von innen verschlossen war, und zog den Schlüssel hervor, um sie zu öffnen. Da trat der Bajazzo zu ihm heran und fragte:
„Reden Sie irre, oder sprechen Sie im Ernst?“
„Das letztere ist der Fall, Monsieur Bajazzo.“
„So wollen Sie also wirklich in Ihr Verderben rennen?“
„Versuchen Sie es doch, mich zu verderben.“
„Das Kästchen wird sicher abgegeben.“
„Holt es euch erst.“
„Ich werde erklären, daß Sie der betreffende Henry de Lormelle sind, welcher damals – Sie wissen ja!“
„Nichts weiß ich, gar nichts! Bringt Beweise! Hier steht die Tür offen. Packt euch hinaus!“
Er hatte die Tür aufgestoßen und deutete hinaus auf die Gasse, das steigerte den Grimm des Bajazzo.
„Hund!“ rief er. „Du sollst uns nicht umsonst hinauswerfen! Da, nimm das zum Lohn.“
Er holte zum Schlag aus; aber der Lumpensammler war auf seiner Hut gewesen. Er sprang zurück und riß einen Revolver aus der Tasche, den er dem Bajazzo entgegenhielt:
„Ah, vergreifen wollt ihr euch an mir?“ fragte er. „Noch einen einzigen Schritt, und ich schieße euch nieder. Wenn man euch dann erkennt, wird man mich belohnen, anstatt bestrafen. Ich sage ganz einfach, daß ihr einen Raubanfall gegen mich unternommen habt. Also geht, oder ich schieße.“
Der Bajazzo sah sich machtlos. Er schäumte vor Wut. Vater Main fühlte nicht weniger Grimm, aber er besaß mehr Selbstbeherrschung. Er faßte ihn beim Arm und sagte:
„Komm, Bajazzo; laß ihn! Er hat in diesem Augenblick die Oberhand; aber er soll es büßen; dafür werden wir sorgen.“
Er zog ihn mit sich fort auf die Gasse hinaus. Draußen blickten sie sich vorsichtig um. Sie bemerkten nichts Verdächtiges und schritten weiter.
„Diesem Halunken will ich es gedenken!“ sagte der Bajazzo. „Ich kenne eine Affäre aus seiner Vergangenheit, welche –“
„Still jetzt!“ unterbrach ihn der Vater Main. „Wir haben in diesem Augenblick genug mit uns selbst zu tun. Es ist heller Tag. Man sucht mich jedenfalls in ganz Paris. Ich muß auf meine Sicherheit bedacht sein.“
„Wohin aber wenden wir uns?“
„Zum alten Piccard.“
„Ah, zum Trödler?“
„Ja.“
„Lebt er denn noch?“
„Der stirbt niemals. Er scheint das ewige Leben zu haben. Er ist mir zu Dank verpflichtet, und ich bin überzeugt, daß er mir seine Hilfe nicht versagen wird. Vorwärts also!“
Er begann, rascher als bisher auszuschreiten, und der Bajazzo mußte das gleiche tun. So kamen sie glücklich durch einige Gäßchen, ohne einem Polizisten zu begegnen, und endlich traten sie in den Flur des kleinen, armseligen Häuschens, in welchem allem Anschein nach ein Althändler zu wohnen schien.
Der Wirt hatte das Eintreten der beiden Fremden vernommen, er öffnete die Stubentür. Der Raum war von der Diele bis zur Decke hinauf mit altem Gerümpel angefüllt. Auf einer Bank saß ein alter, grauköpfiger Kerl, welcher noch vor Methusalem gelebt zu haben schien.
Kaum war der Blick dieses Mannes auf Vater Main gefallen, so sprang er mit jugendlicher Beweglichkeit von seinem Sitz auf, riß die beiden in die Stube hinein, verriegelte die Tür und rief im Ton des Schreckens:
„Mein Gott, ist es möglich! Vater Main! Du wagst es, dich am hellen Tag auf der Straße zu zeigen! Weißt du denn nicht, daß tausend Augen nach dir forschen?“
„Ich weiß es, alter Picard. Wirst du mich verraten?“
„Was denkst du? Was fällt dir ein?“
„Ich wußte es. Du wirst mir doch aus der Schlappe helfen.“
„Gern, wenn ich kann. Was verlangst du von mir?“
„Ich mußte fliehen in demselben Anzug, in welchem ich im Keller steckte. Hast du keinen anderen, welcher mich unkenntlich macht?“
„Ich habe einen und werde ihn holen.“
„Aber ich habe kein Geld.“
„Das ist auch nicht nötig. Du wirst mich bezahlen, sobald es dir möglich ist. Und du, Bajazzo, bist auch wieder hier? Sieht man dir vielleicht auch auf die Finger?“
„Hm“, antwortete der Gefragte, „auch ich habe gerade keine Veranlassung, mich viel sehen zu lassen.“
„So macht euch aus der Stadt hinaus.
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