57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Stuhl und Belmonte stellte sich so, daß er zwischen ihm und der Tür stand. Alice war mit eingetreten. Die Anwesenheit dieses Fremden war ihr im höchsten Grad fatal. Er bemerkte das an dem Blick, den sie mißbilligend auf ihm ruhen ließ, und suchte sich zu entschuldigen:
„Ich bin fremd in Paris, Mademoiselle, und wußte nicht, wo ich bis zur Ankunft des Herrn Sekretär besser warten sollte als hier.“
„Sie haben sehr recht“, bemerkte Belmonte. „Auch mir ist es lieber, daß Sie hier eingetreten sind. Darf ich fragen, welcher Angelegenheit wir Ihre Anwesenheit verdanken?“
„Ich wollte eine Erkundigung aussprechen.“
„Nach wem oder was? Vielleicht bin auch ich imstande, Ihnen Auskunft zu erteilen.“
„Ich möchte gern erfahren, wo sich gegenwärtig Graf Rallion befindet. Ist Ihnen der Ort bekannt?“
„Ja. Was wünschen Sie von ihm?“
„Ich habe in einer wichtigen Privatangelegenheit um eine Audienz zu ersuchen.“
„Vielleicht in Damenangelegenheiten?“
„Wieso? Woher diese Vermutung?“
„Weil Sie ein Herr zu sein scheinen, der sich vorzugsweise gern mit Damen beschäftigt.“
„Sie scherzen. In meinen Jahren, Monsieur – hm.“
„Oh, auch in Ihren Jahren kann man sich noch sehr für junge Damen interessieren, wenn auch weniger aus Gefühls-, als vielmehr aus pekuniären Rücksichten.“
„Ich verstehe Sie nicht.“
„Das begreife ich nicht. Man hat Beispiele, daß sich ein Herr Ihres Alters für eine Dame interessierte, um zu einem Gewinn von hunderttausend Franken zu kommen.“
Der Wirt wurde leichenblaß. Er fragte stockend: „Er hat sich des Vermögens wegen mit ihr verlobt?“
„Nein, er hat sie dieser Summe wegen geraubt.“
„Ah, Sie sprechen von dem Fall, welcher die ganze Hauptstadt in Aufregung gebracht hat. Es steht sehr zu wünschen, daß der Täter ergriffen werde. Ich aber werde doch vorziehen, wieder zu kommen, da der Herr Sekretär vielleicht erst später eintrifft.“
Er hatte sich erhoben; er fühlte sich von einer plötzlichen Unruhe ergriffen. Der Mann, welcher da vor ihm stand, kam ihm so eigentümlich, so inquisitorisch vor. Er machte eine Verbeugung und wollte an Belmonte vorüber. Dieser aber wich nicht von seinem Platz, sondern sagte sehr höflich:
„Bitte, zu bleiben, Monsieur. Warum wollen Sie sich entfernen, da Sie doch soeben gewünscht haben, daß der Täter ergriffen werde.“
„Ich verstehe Sie wahrhaftig nicht“, stotterte der Wirt.
„Wie? Sie verstehen mich nicht? Sie kennen mich wohl auch nicht, mein Lieber?“
„Nein, Monsieur.“
„Und doch sind wir so gut miteinander bekannt.“
„Ich kann mich wirklich nicht erinnern –“
„So muß ich Ihr Gedächtnis unterstützen.“
Er griff in die Tasche seines Rocks, zog die Haartour hervor und legte sie an. Der Wirt wich zurück. Seine Augen schienen aus ihren Höhlen treten zu wollen.
„Tausend Teufel! Der Changeur!“ rief er.
„Ja, der Changeur! Und hier noch einer!“ ertönte es da durch die sich öffnende Seitentür.
Der Wirt wendete sich um und machte eine abermalige Gebärde des heftigen Schreckens.
„Der Student! Verdammt! Der Teufel hole alle beide.“
Er holte zum Sprung aus, um Belmonte niederzurennen und dann zu entkommen, aber Martin, welcher ihm jetzt am nächsten stand, ergriff ihn von hinten und schleuderte ihn auf das Sofa zurück. Zugleich zog Belmonte den Revolver und drohte:
„Bleib ruhig sitzen, Kerl, sonst jage ich dir eine Kugel durch den Kopf.“
Die Brust des Wirtes arbeitete unter einem Entschluß, welchen er fassen wollte, aber er kam nicht dazu: er sah ein, daß Widerstand hier vergeblich sein würde.
„Ich bin verloren“, sagte er. „Hund von Changeur, so hatte ich also doch recht, du bist Polizeispion. Der Satan brate dich dafür in alle Ewigkeit.“
Er schien sich in sein Schicksal ergeben zu wollen: aber im nächsten Moment ermannte er sich wieder.
„Aber noch habe ihr mich nicht!“ rief er. „Macht Platz!“
Er schnellte sich auf die Tür zu, hatte sich aber in Belmonte verrechnet. Dieser packte ihn und schleuderte ihn zurück. Mit einem lauten Wutschrei warf er sich zwar nieder auf den Changeur, aber da wurde er auch schon von Martin gefaßt, und die beiden Männer rangen ihn zu Boden nieder.
„Mein Gott, mein Gott! Wer ist dieser Mensch?“ rief Alice.
„Es ist der Wirt, welche die Comtesse de Latreau geraubt hat“, antwortete Martin. „Hast du keine Stricke oder starke Schnüre da, ihn zu
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