57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
flöten.“
„Morgenstunde hat Gold im Munde!“
„Was nützt es mir, wenn sie es bloß im Maul hat, und ich bekomme nichts davon in meinen Beutel.“
„Aber wenn wir vormittag fahren, riskieren wir, auf dem Bahnhof und im Coupé mit ihnen zusammen zu treffen.“
„So fahren wir am Nachmittage. Berlin läuft uns nicht fort; das ist so sicher wie Pudding.“
„Das mag sein. Auf einige Stunden kommt es nun wohl auch nicht an. Aber womit vertreiben wir uns die Zeit?“
„Wir gucken zum Fenster hinaus. Da wird auf dem Markt Gemüse und verschiedenes andere verkauft.“
„Danke. Machen wir lieber einen Ausflug.“
„Wohin?“
„Ich kenne die Umgebung Dresdens nicht.“
„Vielleicht nach Blasewitz?“
„Was ist da zu sehen?“
„Da gibt es Käsekäulchen und das Schillerdenkmal.“
„Schön. Teilen wir die Genüsse; Sie die Käulchen und ich das Denkmal.“
„Schön. Mein Anteil ist jedenfalls leichter zu verdauen als der Ihrige. Übrigens brauchen wir ja nicht zu laufen, sondern wir können per Droschke fahren.“
„Das ist kein Vergnügen. Ich möchte am liebsten – hm, das geht nicht, da Sie dabei sind.“
„Was?“
„Ich bin seit einiger Zeit nicht im Sattel gewesen. Ich möchte am liebsten reiten: Sie aber können das nicht.“
Der Dicke fühlte sich durch die letzten Worte stark beleidigt. Dieser Kollege behauptete so ganz ohne weiteres etwas, worüber er noch gar keine Kenntnis haben konnte.
„Ich nicht reiten?“ meinte Schneffke. „Wer hat Ihnen denn das weisgemacht?“
„Sie, bei Ihrer Figur!“
„Oho! Meine Figur ist ganz genau diejenige eines tüchtigen Kavalleristen. Es haben bereits Dickere geritten.“
„Wo haben Sie es denn gelernt?“
„Schon als Kind auf dem Karussell.“
„Unsinn! Auf hölzernen Pferden. Wo denken Sie hin?“
„Und dann war ich sehr oft in Berlin im Hippodrom.“
„Das läßt sich schon eher hören. Sitzen Sie fest im Sattel?“
„Eisenfest wie Pudding.“
„Nun, so wollen wir es probieren. Ich werde dem Hausknecht Befehl geben, für zehn Uhr zwei Pferde zu besorgen.“
„Schön. Das, welches am feurigsten ist, nehme ich. Sie sollen ihre Freude und Bewunderung an mir haben.“
„Darüber läßt sich wohl noch sprechen. Ich liebe es nicht, auf einem Fleischergaul zu sitzen. Ihre kurzen, quatschigen Beinchen scheinen mir nicht gemacht, einen gehörigen Schenkeldruck auszuüben.“
„Das ist auch nicht nötig. Müssen es denn gerade die Schenkel sein? Ich drücke mein Pferd, womit ich will.“
Damit war diese Angelegenheit erledigt. Die Zeit bis zum Theater verging den beiden sehr rasch. Sie hatten Billets zur ersten Rangloge und begaben sich kurz vor Beginn der Vorstellung in den Tempel der Kunst.
Der Kleine betrachtete den Platz, welchen seine Nummer angab unter einem Schütteln des Kopfes.
„Na, na!“ brummte er. „Da soll ich sitzen? Das wird sein, als ob ich in einer Kartoffelquetsche stäke.“
Er zwängte sich so viel wie möglich zusammen und setzte sich nieder.
„Geht's?“ fragte Haller.
„Gut nicht. Es ist mir zumute, als ob man mich in die spanische Jungfrau gesteckt hätte. Ich muß mir von Zeit zu Zeit zu helfen suchen. Ich hoffe, daß wir keine Nachbarn bekommen. Wenn der Platz neben mir besetzt würde, so könnte ich mir gratulieren. Eine kräftige Taille ist unter Umständen ganz hübsch, zuweilen kann sie aber auch unangenehm werden, die Figura zeigt.“
Kaum hatte er das Wort gesprochen, so wurde die Tür der Loge geöffnet, und es traten drei Personen ein: zwei Damen und ein galonierter Diener. Die ersteren waren verschleiert, so daß man ihre Züge nicht sogleich zu erkennen vermochte. Als sie die beiden Männer bemerkten, blieben sie einige Augenblicke lang flüsternd stehen.
„Teufel! Denen scheint es nicht zu passen, daß wir hier sitzen“, raunte Schneffke seinem Nachbarn zu.
Dieser antwortete erst, nachdem er einen scharfen, forschenden Blick auf die Damen geworfen hatte:
„Kennen Sie die beiden?“
„Nein. Glauben Sie, daß ich jede Dresdner Apfelfrau kennen muß, noch dazu, wenn sie verschleiert ist?“
„So erschrecken Sie nachher nur nicht.“
„Worüber denn?“
„Das werden Sie selbst merken. Sie kommen.“
„Hilf, Himmel! Ja, sie kommen her neben mich. Gott sei meiner armen Seele gnädig!“
„Oder vielmehr Ihrem sterblichen Leichnam, der jedenfalls mehr Platz einnimmt, als die Seele samt dem ganzen Geist, den Sie haben, bester Herr Kollege.“
Während der Diener
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