57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
gekommen?“
„Wie soll ich das wissen? Glauben Sie, daß ich mir erlauben darf, hochgräfliche Herrschaften nach dem Zweck ihres Hierseins auszufragen?“
„Muß dieser Zweck nicht im Fremdenbuch bemerkt werden?“
„Das Fremdenbuch ist nicht mein Ressort.“
„So sind Sie vielleicht mit der hübschen Vorleserin zu sprechen gekommen?“
„Allerdings, sogar einige Male.“
„Das ist schön, sehr schön. War sie freundlich mit Ihnen? Vielleicht sogar vertraulich?“
Der Portier bekam eine Ahnung dessen, was der Dicke bezweckte.
„Ziemlich vertraulich“, antwortete er.
„Schön, schön! Wissen Sie vielleicht, wo sie her ist?“
„Das weiß ich sogar sehr genau. Ich kenne sie bereits seit mehreren Jahren.“
„Prächtig. Also woher ist sie?“
„Aus Dresden.“
„Donnerwetter. Hat sie einen Liebsten?“
„Gehabt. Sie war verlobt.“
„Hm. Mit wem denn?“
„Mit einem pensionierten Seminardirektor.“
„Alle Teufel! Das muß doch ein sehr alter Kerl gewesen sein.“
„Dreiundsiebzig Jahre.“
„Was? Dreiundsiebzig? Und in den ist sie verliebt gewesen?“
„Warum nicht? Frauen haben ihre Mucken. Die eine will einen jungen und die andere einen alten. Es gibt blutjunge Mädels, welche geradezu dafür schwärmen, einen Mann mit grauem Haar zu bekommen.“
„Ja, ja, das habe ich auch erfahren. Ein volles, rotes, gesundes Gesicht mit grauem Haar ist pikant. Also sie hat ihn nicht mehr?“
„Nein. Er ist ja tot!“
„Nicht schade um den Mann! Pensionierte Seminardirektoren können abkommen, besonders wenn sie rüstigen und unpensionierten Leuten die hübschesten Mädchen vor der Nase wegschnappen wollen. Drum trauert sie.“
„Sie hat auch alle Ursache dazu. Er muß ein sehr guter Kerl gewesen sein und sehr viel auf sie gehalten haben, denn er hat ihr sein ganzes Vermögen vermacht.“
„Das wäre! Sie hat ihn beerbt?“
„Sie ist seine Universalerbin. Er starb an den Masern.“
„Gott hab ihn selig! Er ruhe mit seinen Masern ewig in Frieden. Wie viel hat sie denn geerbt?“
„Sechzigtausend Taler in Gold, Silber und Staatspapieren, ein Haus in der Zahnsgasse, eine Villa in Niederpoyritz und die Hälfte von einer Papierfabrik in der Nähe von Markneukirchen im Gebirge.“
Der Dicke sperrte den Mund vor Erstaunen auf:
„Alle Wetter!“ sagte er. „Ist der Kerl reich gewesen. Seminardirektors sind doch gewöhnlich arme Teufel.“
„Er soll das alles in der Hamburger und Braunschweiger Lotterie gewonnen haben.“
„Ja, dann läßt es sich erklären. Also, das alles, alles hat sie geerbt? Das ist der schönste Pudding, den es gibt.“
„Sie ist ja eben gerade dieser Erbschaft wegen von Berlin hierher gekommen. Die Generalin hat sie begleitet, weil sie viel auf sie hält. Gestern vormittag ist das Geld ausgezahlt worden.“
„Und morgen schleppen sie es wohl nach Berlin?“
„Jedenfalls.“
„Hat sie denn keine Verwandte?“
„Weder Kind noch Kegel.“
„Na, Kinder wollte ich mir verbitten, und Kegel sind auch nicht notwendig. Wenn sie gar niemand hat, so ist sie ja eine Partie, nach der man sich die Finger lecken möchte.“
„Lecken Sie vielleicht auch?“
„An allen zehnen.“
„Das glaube ich. Wer sind Sie denn eigentlich?“
„Sehen Sie mir denn das nicht an?“
„Hm! Sie sehen ganz aus wie ein Schnapsdestillateur.“
„Unsinn! Ich bin fürstlich reußischer Generalsuperintendent jüngerer Linie; derjenige von der älteren Linie ist etwas dünner als ich. Adieu, guter Freund.“
Er ging. Der Portier blickte ihm kopfschüttelnd nach.
„Der? Ein Generalsuperintendent? Der sieht mir ganz und gar nicht nach so etwas aus“, murmelte er. „Aber in dem Ländchen Reuß könnte es schon möglich sein. Vermeiert habe ich ihn ordentlich.“
Und der Dicke dachte bei sich:
„Ob das alles wohl auch wirklich wahr ist? Der Kerl sah ganz so aus, als ob er flunkerte. Na, ich werde wohl Gelegenheit finden, dahinter zu kommen.“
Und als ihn dann Haller nach dem Erfolg seiner Erkundigung fragte, antwortete er:
„Morgen vormittag fahren sie nach Berlin.“
„Und wir auch? Hm, ich möchte es jetzt allerdings vermeiden, mit ihnen zusammen zu treffen. Unsere Schlittenpartie hat uns sehr blamiert. Am besten ist's, wir fahren bereits mit dem Frühzug.“
Da schüttelte der Berliner sehr energisch den Kopf und widersprach:
„Das fällt mir gar nicht ein! Ich bin gewohnt, auszuschlafen. Bei dem zu frühen Aufstehen geht die Gesundheit
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