57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
lassen.“
„Herr Schneffke, es wird Ihnen wohl immer heißer?“
„So heiß wie einem Pudding!“
Der zweite Akt begann. Der Dicke sah fast gar nichts davon. Er war von dem Portier düpiert worden; das ärgerte ihn. Noch mehr ärgerte ihn die Handschuhgeschichte. Und gerade jetzt bemerkte Haller, daß ihm sein Handschuh fehlte. Er beugte sich über die Brüstung vor, da er dachte, der Glace sei da hinabgefallen. Da machte die Vorleserin eine so auffällige Handbewegung, daß Haller sich zu ihr wenden mußte, und da deutete sie auf Schneffkes Hand, an welcher die Lederfetzen hingen. Der Dicke hätte in den Erdboden sinken mögen. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren; es war ihm, als ob er in einem Dampfbad sei.
Doch endlich, endlich ging auch dieser Akt zu Ende. Haller benutzte das und flüsterte ihm zu:
„Was geht, in aller Welt, Ihnen denn mein Handschuh an?“
„Ein Versehen!“ stammelte er.
„Unsinn! Sie haben glänzen wollen. Diese Vorleserin hat Ihnen den Kopf verdreht, so daß Sie schließlich noch Filzschuhe an die Finger stecken.“
„Halten Sie nur jetzt den Mund! Ich will – ach, Gott sei Dank, sie stehen auf! Sie gehen nach dem Foyer! Ich gehe auch!“
Die Damen hatten sich erhoben und verließen die Loge.
„Sie wollen ihnen nach?“ fragte Haller.
„Fällt mir gar nicht ein!“
„Wohin denn sonst?“
„Ich mache, daß ich fortkomme. Ich verschwinde; ich verdufte mich. Hier ist eine Hitze von sechsundneunzig Grad Reaumur, und das ist für meine jugendliche Konstitution zu viel. Bleiben Sie noch hier?“
„Ja. Ich brauche nicht auszureißen; ich habe ein gutes Gewissen.“
„Wohl Ihnen! Viel Vergnügen!“
Er ging und kehrte in sein Hotel zurück, wo er sich schleunigst zu Bett legte, um Haller bei dessen Heimkehr keine Gelegenheit zu irgendwelchen unangenehmen Folgen und Bemerkungen zu geben.
Dieser letztere hatte, als die Damen vorhin in die Loge getreten waren, sich höflichst verbeugt, dann aber scheinbar gar keine weitere Notiz von ihnen genommen, außer da, als Emma ihn auf den defekten Handschuh aufmerksam machte. Er blieb auch weiterhin scheinbar teilnahmslos gegen sie und beachtete sie erst am Schluß der Vorstellung wieder mit einer Verbeugung.
Als die Generalin mit der Nichte zu Hause angekommen war, sagte sie:
„Weißt du, daß du ein kleiner Kobold bist? Oder denkst du, daß ich die Handschuhaffäre nicht bemerkt habe?“
„Ich interessiere mich ganz außerordentlich für diesen Spinnenmaler, liebe Tante!“
„Der sein Herz an dich verloren hat!“
„So, daß er einen linken Handschuh borgt und ihn an die rechte Hand zieht. Er hält mich wirklich für deine Vorleserin!“
„Ich interessiere mich weit mehr für den anderen. Er hat das Äußere und das ganze Wesen eines Mannes aus vornehmen Kreisen.“
„Auch als er von der Höhe herabrutschte und vor Verlegenheit die Flucht ergriff?“
„Das war ein tückischer Zufall, welcher ihm in meinen Augen gar nichts schadet. Die beiden sind Maler. Sie haben uns bemerkt. Sie haben beschlossen, uns zu skizzieren; das Erdreich, auf welchem sie saßen, hat nachgegeben, und sie sind herabgerutscht. Dabei ist gar nichts Ehrenrühriges zu finden.“
„Aber sehr viel Lächerliches!“
„Dieser Mann hat etwas in seinen Augen, was mich wunderbar berührt. Es ist mir, als ob ich seit Jahren mit ihm bekannt gewesen sei. Er gab sich heute den Anschein, uns gar nicht zu beachten, und doch habe ich bemerkt, daß er uns weit mehr Aufmerksamkeit schenkte als der Bühne.“
„So haben wir beide eine Eroberung gemacht, ich den Hieronymus und du den – ach, wie mag er heißen?“
„Vielleicht erfahren wir es noch.“
„Du willst doch nicht sagen, daß du dich so für ihn interessierst, daß es dich verlangt, seine Verhältnisse kennenzulernen?“
Die Generalin schwieg eine Weile und antwortete dann:
„Ja, gerade das will ich sagen. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der einen ähnlichen Eindruck auf mich gemacht hätte. Ich weiß nicht, was es ist, wodurch ich bei seinem Anblick so tief ergriffen wurde. Eine innere Stimme sagt mir, daß ich ihn näher kennenlernen werde. Sein Kollege ist ein Berliner; sie gehen nach Berlin; der Zufall wird es fügen, daß ich ihn dort wiedersehe. Er ist mir ein Geheimnis, ein Rätsel, von welchem ich fühle, daß ich es zu lösen haben werde.“
„Ich begreife das nicht!“
„Ich ebensowenig. Begreift die Schwalbe den Drang, der sie zur Herbstzeit nach dem Süden
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