57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
der Schnur hier fest auf den Kopf gebunden.“
Haller lachte ihm in das Gesicht und sagte:
„Sie sind ein ganz verwegener Kerl, wie es scheint. Tun Sie mir den Gefallen, Ihren Hals und Ihre Beine in acht zu nehmen. Na, so kommen Sie.“
Er hatte hinter dem Rücken des guten Hieronymus Sorge getragen, daß diesem nicht etwa ein arabischer Hengst zur Verfügung gestellt werde. Als sie aus dem Tor traten, sahen sie einen hübschen Braunen und daneben einen Schimmel, dem man die Sanftmut und Geduld eine ganze Weile weit ansehen konnte. Schneffke trat in unternehmender Haltung zu dem Knecht und fragte diesen:
„Welches ist das wildeste von den beiden?“
Der Gefragte deutete auf den Schimmel und antwortete:
„Der da. Er ist oft kaum zu bändigen. Es gehört ein sehr erfahrener und gewandter Reiter dazu, im Sattel zu bleiben.“
„Pah! Mich soll er nicht herunter bekommen. Herr Kollege, ich kann nicht dulden, daß Sie sich in Gefahr begeben; ich nehme also den wilden Schimmel und lasse Ihnen den Braunen.“
„Nicht doch!“ antwortete Haller. „Der Schimmel hat den Teufel im Leib. Der braucht Schenkeldruck.“
Der Dicke stellte sich breitspurig vor ihn hin und sagte:
„Schenkeldruck? Donnerwetter! Betrachten Sie sich einmal diese Schenkel. Sind das etwa Sperlingswaden? Ich bin ja der reine Koloß von Rhodos. Wenn der Schimmel wirklich gedrückt sein will, so kann er es haben. Ich werde ihn quetschen, daß ihm die Seele knacken soll. Aufgestiegen, also.“
Es kostete ihn Mühe, mit dem Fuß den Bügel zu erreichen; aber es gelang ihm doch, hinauf zu klettern, wo er sich dann ordentlich zurecht setzte. Der Schimmel war sehr gut genährt. Diese beiden paßten ungemein füreinander.
Auch Haller war aufgestiegen und sagte:
„Vorwärts jetzt, durch die Rampische Straße!“
Er setzte den Braunen in Bewegung. Der Dicke tat dasselbe, zerrte aber an der verkehrten Seite. So kam es, daß der Schimmel sich erst einmal um seine eigene Achse drehte und dann in ganz entgegengesetzter Richtung forttraben wollte. Haller blickte sich um und bemerkte das. Er rief:
„Herr Kollege, Herr Kollege, wollen Sie etwa durch das Marktgäßchen reiten?“
„Das Marktgäßchen? Fällt mir nicht ein! Ich dachte aber, das hier wäre die Rampische Straße. Komm, Schimmel, dreh dich um. Nach links, immer weiter links. So, und nun gradaus, hinter dem Braunen her.“
Es war ihm gelungen, den Gaul richtig vor den Wind zu bringen; er erreichte Haller und ritt an dessen Seite weiter.
Die Leute blieben stehen, um den beiden nachzublicken. Es war dem Dicken unmöglich, die Beine in die gehörige Lage zu bringen; er streckte sie grad ab. Ein rascher Seitenschritt des Pferdes hätte ihn sofort aus dem Sattel gebracht. Er bemerkte, welche Aufmerksamkeit er erregte, daher sagte er in selbstgefälligem Ton zu Haller:
„Wir müssen doch ein höchst stattliches Reiterpaar bilden, denn alle Leute staunen uns an.“
„Mich weniger als Sie.“
„Das ist auch meine Meinung. Aber sehen Sie nur, was für einen famosen Schenkeldruck ich habe.“
„Ausgezeichnet!“ nickte Haller ironisch.
„Ohne diesen Druck wäre ich aber auch sofort zur Katze. Dieser Schimmel ist ein ganz verfluchtes Vieh. Er will mit mir immer durch, bald rechts oder links, bald rückwärts oder vorwärts. Soeben wollte er hinten ausschlagen, und jetzt, ah, ich ahnte es doch gleich, jetzt wollte er vorn in die Höhe. Aber solche Unbotmäßigkeiten dulde ich absolut nicht. Das Vieh muß einsehen, daß es endlich einmal seinen Reiter gefunden hat.“
So ging es durch die Pillnitzer Straße und quer über die alte Vogelwiese nach Blasewitz zu. Sie hatten die Forthausstraße hinter sich, da deutete Haller nach vorn und sagte:
„Teufel noch einmal. Kennen Sie die beiden, die dort gehen?“
„Die Frauenzimmer?“
„Ja.“
„Die gehen mich nichts an. Ich habe jetzt keine Zeit mit Damen zu liebäugeln. Ich darf den Schimmel nicht aus den Augen lassen.“
„Aber einen Blick werden Sie doch wohl übrig haben, zumal für diese beiden.“
„Sind es denn gar so außerordentliche Personen?“
„So sehen Sie doch nur hin!“
Der Dicke gehorchte und rief dann erfreut:
„Die Generalin und ihre Vorleserin! Kollege, wollen wir ihnen einmal etwas vorreiten?“
Der Gefragte schüttelte scheinbar besorgt den Kopf und antwortete:
„Der Schimmel, der fatale Schimmel!“
„Wieso?“
„Na, wenn der einmal im Zug ist, dann ist es aus.“
„Unsinn! Ich gebe ihm
Weitere Kostenlose Bücher