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57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris

Titel: 57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ermöglichen.“
    „Wie dankbar würde ich Ihnen sein, mein Fräulein!“
    „Ich tue es gern, denn ich bin überzeugt, daß ich nichts zu verantworten haben werde. Vielleicht ist es möglich, Sie bereits morgen mit Emma bekannt zu machen. Sie ist auch in diesem Zimmer hier keine allzu seltene Erscheinung. Kehrt sie heute von der Reise zurück, so macht sie mir morgen ganz sicher ihren Besuch und wird auch nicht versäumen, hier auf eine Minute vorzusprechen. In diesem Fall, und wenn Sie anwesend sind, wird es ja sogar unsere Pflicht sein, Sie ihr vorzustellen.“
    „Ich werde auf alle Fälle zugegen sein, mein Fräulein, und wünsche mir baldigst eine Gelegenheit, mich Ihnen dankbar zeigen zu können.“
    Damit war der Teil der Abendunterhaltung, welcher ihn interessierte, erschöpft, und Haller zog sich nach kurzem in sein Schlafzimmer zurück. Als er sich dort allein befand, überdachte er die Erlebnisse der letzten Tage, unter denen ihm seine heutige Begegnung mit der jungen, allerliebsten Französin am meisten beschäftigte.
    Er sagte sich zwar, daß er für sie nur deshalb ein so reges Interesse hege, weil sie ihm versprochen hatte, seine Bekanntschaft mit der Familie Königsau zu vermitteln; allein er täuschte sich damit nur selbst. Ihre reizende Persönlichkeit nahm sein Denken in noch viel höherem Grad in Anspruch als ihr Versprechen, ihn in dem Haus einzuführen, an welches er von seinem Vorgesetzten adressiert worden war.
    Sie hatte einen Eindruck auf ihn gemacht, über welchen er sich noch nicht Rechenschaft geben konnte. Und doch traf er bereits einen Vergleich zwischen ihr und Derjenigen, welche ihm seit langer Zeit zur Gattin bestimmt war.
    Es war in seinem Herzen ein Zwiespalt entstanden, welcher einerseits ihn gegen sich selbst erzürnte, andererseits aber ihn freudig erregte, wenn er daran dachte, daß er Gelegenheit habe, die junge Dame öfter zu sehen.
    „Warum gefällt mir diese Gesellschafterin doch nur weit besser als Ella von Latreau?“ fragte er sich. „Es gibt Menschen, die man schon beim ersten Zusammentreffen lieb haben muß. Ella ist ein Grafenkind, unendlich reich und eine Schönheit ersten Ranges. Diese kleine, nette Madelon stammt jedenfalls aus einer armen, bürgerlichen Familie und kann eine eigentliche Schönheit nicht genannt werden. Aber doch – aber doch! Als ich diese prächtige Gouvernante im Wald sitzen sah, entzückte sie mich; diese Madelon entzückt mich auch. Und doch wie verschieden ist dieses Entzücken. Die Gouvernante entzückte meine Augen, mein Schönheitsgefühl, da ich Maler bin; die Französin aber macht einen Eindruck, welcher nicht nur auf das Auge wirkt; er geht tiefer hinab. Hm, ich glaube, dieser süße Kolibri könnte einem gefährlich werden. Kolibri? Ja, bei Gott, das ist der richtige Ausdruck, um die Erscheinung dieses reizenden Mädchens zu kennzeichnen.“
    Aber mit diesem Selbstgespräch war das Thema noch nicht beendet. Noch als er bereits im Bett lag, dachte er an sie, und als er dann eingeschlafen war, erschien sie ihm im Traum mit goldig schillernden Flügeln, über duftigen Blüten schwebend und von dem Honig nippend, der in den Kelchen lag.
    „Wahrhaftig, sie ist mir im Traume erschienen“, sagte er, als er erwachte. „Es gibt Leute, welche dem Traum im neuen Logis eine große Bedeutung beilegen. Wenn sie recht haben, so darf ich vermuten, daß dieser Kolibri mich noch länger umflattern wird.“
    Als er seinen Kaffee getrunken hatte, schickte er sich zu einem Morgenspaziergange an. Er mußte, um wirklich als Maler zu erscheinen, sich einige Requisiten beilegen, ohne welche die Künstler der Palette nun einmal nicht sein können. Eben als er die untere Treppe hinabsteigen wollte, kam Madelon die Stufen herauf. Sie hatte ein kleines elegantes Körbchen am Arm und sah so frisch und munter aus wie der junge Morgen selbst. Er zog höflich grüßend den Hut und blieb stehen, um sie an sich vorüber zu lassen; aber sie hemmte ebenso ihre Schritte und sagte:
    „Guten Morgen, Herr Haller! Ich denke, wir können schon ein Wörtchen miteinander wechseln. Wir sind uns ja nicht ganz und gar fremd. Haben Sie eine angenehme Ruhe gehabt?“
    „Ich danke, ja, mein Fräulein.“
    „Das ist schön; das freut mich, denn es ist ein gutes Zeichen. Vielleicht haben Sie sogar geträumt?“
    Sie blickte ihm fröhlich in das Gesicht und zeigte ihm dabei ein so kindlich herziges Lächeln, daß er sie gleich auf der Stelle hätte küssen

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