57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
besitze.“
„Was, Madame?“ fragte er, noch immer wie auf Wolken schreitend.
„Ich sagte bereits, das Kostbarste, was ich habe, nämlich meine Nichte.“
„Sie haben deren zwei.“
„Ich meine Ida, meine stille, gute Ida, welche ich zärtlich liebe, ohne daß ich es mir so anmerken ließ.“
Er hätte am liebsten grad hinausgejubelt. Aber die Situation war eine so glückliche und interessante, daß er sich beherrschte.
„Ida?“ fragte er. „Komtesse Ida, sagen Sie? Wären Sie dieser Dame denn auch sicher gewesen?“
„Ich bin überzeugt davon.“
„Wußte Mademoiselle Ida von Ihrem Plan?“
„Kein Wort. Ich hoffte, Ihre Herzen sollten sich gegenseitig finden.“
„Leider kann dies nicht mehr stattfinden“, sagte er im Ton des innigsten Bedauerns.
„Ja, Sie haben Ihr Herz verschenkt.“
„Ida das ihrige auch.“
Sie machte eine Bewegung des Erschreckens.
„Wie? Was sagen Sie? Ida – Ida liebt – und wen?“
„Einen Offizier, einen Deutschen.“
„Mon dieu! Sie meinen doch nicht etwa Herrn von Goldberg?“
„Madame, Sie wissen, daß Goldberg mein Freund ist. Ich werde niemals das Geheimnis eines Freundes verraten.“
„Ah, er ist's, er ist's! Er ist ja noch da! Er ist ja noch anwesend. Kommen Sie, Herr von Königsau, kommen Sie rasch! Ich werde – – –“
Sie wollte forteilen. Es hatte sich ihrer ein außerordentlicher Zorn bemächtigt. Gebhard ergriff sie bei der Hand.
„Bitte, Madame! Warten Sie noch. Ich muß Ihnen sagen, daß – – –“
„Nichts will ich hören, nichts, gar nichts! Kommen Sie schnell!“
Sie riß sich los und eilte fort. Er folgte ihr, innerlich die folgende Szene bereits ausmalend.
Die beiden Schwestern saßen mit Goldberg am Tisch, als die Gräfin die Tür aufriß und hereingestürmt kam. Bei ihrem Anblick erhoben sich alle drei. Sie erkannten sofort, daß sie sich im Zustand zorniger Aufregung befand.
„Herr von Goldberg, ich habe mit Ihnen zu sprechen!“ rief sie.
„Ich stehe zur Verfügung, gnädige Frau“, antwortete er.
„Das erwarte ich. Ich verlange von Ihnen, daß Sie mir die volle Wahrheit sagen.“
„Gewiß.“
Er hatte nicht die mindeste Ahnung, worüber er überhaupt die reine Wahrheit sagen solle. Sie stellte sich mit zornig funkelnden Augen vor ihn hin und fuhr fort:
„Sie sind ein Verführer!“
Er war wie aus den Wolken gefallen und fragte:
„Ein Verführer? Ich? Madame, ich bitte Sie.“
„Ja, ein Verführer sind Sie. Ich habe die Beweise in den Händen.“
„Welche Beweise?“
„Sie leugnen noch? Wollen Sie leugnen, daß Sie lieben?“
Er fuhr ganz erstaunt zurück.
„Ich, lieben? Ich, gnädige Frau?“
„Ja, Sie. Sie lieben.“
„Wen denn, gnädige Frau?“
„Meine Nichte!“
Der also Interpellierte wußte in dem ersten Augenblick nicht, wie er dieser Anklage zu begegnen habe; er blickte verwundert auf die Dame, die wie eine Richterin vor ihm stand.
Goldberg ging ein Licht auf. Die Gräfin war mit Gebhard allein gewesen. Sie hatten miteinander gesprochen, und jetzt kam sie zurück, von Zorn erfüllt.
„Ah, du hast es verraten?“ fragte er den Freund.
„Verraten hat es niemand“, antwortete die Gräfin; „aber erraten hat es jemand, Ihr Freund ist verschwiegen; er hat mir Ihren Namen nicht genannt; ich aber habe es dennoch erfahren. Wollen Sie noch leugnen?“
Er glaubte sich wirklich verraten; er sah ein, daß kein Leugnen helfen könne; darum antwortete er:
„Madame, die Stimme des Herzens ist oft übermächtig; es ist ganz –“
„Schweigen Sie von der Stimme des Herzens! Sprechen Sie lieber von der Stimme der Vernunft und der Pflicht. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, zuvor mit mir zu sprechen. Von einem Ehrenmann mußte ich das erwarten.“
„Ich war ja der Einwilligung von Mademoiselle noch gar nicht sicher!“
„Aber jetzt sind Sie sicher?“
„Leider auch noch nicht ganz.“
„Wie, noch nicht ganz?“
„Ich sage die Wahrheit!“
„Ich werde mich überzeugen!“
Sie trat auf Ida zu und forderte diese im strengsten Ton auf:
„Wenn er noch leugnet, so hoffe ich wenigstens von dir, daß du die Wahrheit sagst. Ich habe das an dir verdient. Liebst du ihn?“
Ida war bereits über das von großem Zorn zeugende Hereintreten der Tante höchst erschrocken gewesen. Die jetzige strenge Frage brachte sie um alle weitere Fassung. Sie unterschied in diesem Augenblick nicht, wer mit dem ‚Er‘ gemeint sei, und antwortete voller Angst:
„Liebe Tante,
Weitere Kostenlose Bücher