57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
zusammenfiel.
Seit einiger Zeit gehörte zu jenen Günstlingen des Kaisers und der Kaiserin ein Mann, der uns bereits begegnet ist, nämlich Graf Jules Rallion, welcher zu wenig Ehre besessen hatte, auf die Forderung Gebhards von Königsau mit der Waffe in der Hand zu antworten.
Er war damals feig entflohen, hatte sich aber nach Gebhards Entfernung sofort wieder eingefunden, um seine Bewerbung um seine Cousine Ida fortzusetzen. Er war aber mit Verachtung zurück- und zurechtgewiesen worden und hatte mit Grimm sehen müssen, daß der Deutsche seine schöne Verwandte als Frau in sein Vaterland führte.
Seit jener Zeit haßte er Königsau noch mehr als früher, und dieser Haß erstreckte sich auch auf Kunz von Goldberg, welcher es verstanden hatte, die zweite Cousine und ebenso auch die alte, strenge Tante zu gewinnen. Wie gern hätte er sich an diesen beiden Deutschen gerächt! Aber leider fand sich keine Gelegenheit dazu. Und eine solche herbeizuführen, dazu war er weder mutig, noch erfinderisch genug.
Obgleich ihm diese beiden Eigenschaften entgingen, gelang es ihm dennoch, sich bei Hofe einzubürgern. Eine Grafenkrone gibt Relief genug, um die Blicke von Schwächen abzuziehen, welche nicht geeignet waren, den Träger dieser Krone zu Ehren zu bringen. Infolge seines untertänigen Wesens und anderer negativen Eigenschaften, welche aber von einem glanzsüchtigen Fürsten lieber bemerkt werden als positive Vorzüge, wußte er sich besonders in die Gunst der Kaiserin einzuschmeicheln, und bald war es allgemein bekannt, daß die Stimme des Grafen Rallion das beste Mittel sei, sich das Kaiserpaar geneigt zu machen.
Kapitän Richemonte hörte davon. Schlau und rücksichtslos, wie er war, fand er bald Gelegenheit, sich dem Grafen auf eine verbindende Weise nützlich zu machen. Er erhielt Zutritt in dessen Gemächer, und seiner diabolischen Natur wurde es nicht schwer, bald einen gewissen Einfluß auf den schwachen Günstling zu gewinnen.
Nun erzählte er ihm von dem Baron de Sainte-Marie, welcher als Marabut gestorben sei und einen Sohn hinterlassen habe, der im Besitz der nötigen Papiere sei, sich als den rechtmäßigen Besitzer des Meierhofs Jeannette auszuweisen.
Der Graf nahm diese Erzählung mit Verwunderung entgegen. Als aber Richemonte berichtete, daß Bonaparte eine Nacht auf jener Besitzung zugebracht und dabei sein Herz verloren habe, fragte er schnell:
„An wen, lieber Kapitän?“
„An meine Schwester.“
„Wie? Sie haben eine Schwester?“
„Ja, gnädiger Herr.“
„Eine Schwester, welche von Bonaparte geliebt wurde? Und Sie haben mir dieselbe noch nicht vorgestellt? Das muß ich sehr übel vermerken, Kapitän. Eine Dame, welche die Zuneigung des großen Kaisers besessen hat, würde persona grata am hiesigen Hofe sein. Sie haben da eine Unterlassungssünde begangen, welche ich Ihnen fast gar nicht verzeihen darf.“
„Ich hätte das, was Sie eine Unterlassungssünde nennen, sicherlich nicht begangen, Verehrtester, wenn es mir überhaupt möglich gewesen wäre, die Schwester Ihnen vorzustellen. Sie lebt nicht in Frankreich, sondern in Deutschland.“
Rallion blickte den Kapitän erstaunt an.
„In Deutschland?“ fragte er. „Wie kommt es, daß sie es sich bei den Feinden ihres kaiserlichen Geliebten gefallen läßt?“
„Sie würde sich die Anwendung des zärtlichen Wortes, welches Sie soeben zu ihr in Beziehung brachten, wohl verbitten. Sie ist der Zuneigung des Kaisers nicht wert gewesen; sie hat sich ablehnend verhalten und ihm einen deutschen Lieutenant vorgezogen, dessen Frau sie geworden ist.“
„Ah, sie ist in Deutschland verheiratet! Welch ein Unsinn! Welch eine Dummheit! Welch ein Verrat an dem Land, in welchem sie geboren wurde!“ rief der Graf. „Aber ich habe freilich auch andere Mädchen gekannt, von denen diese ungeleckten deutschen Barbaren uns vorgezogen wurden. Man sollte diese Art von Frauenzimmer mehr als mit bloßer Verachtung strafen. Ich sage dies, obgleich diejenige, von welcher soeben die Rede war, Ihre Schwester ist. Dem Patriotismus dürfen Sie das nicht übelnehmen!“
„Daran denke ich nicht im entferntesten! Diese Abtrünnigkeit der Schwester ist es ja gewesen, welche veranlaßt hat, daß ich mich von der letzteren vollständig losgesagt habe.“
„Ah! Sie verkehren gar nicht mit ihr?“
„Nein. Ich denke aber, jetzt wenigstens aus der Ferne und durch den Advokaten mit meinem Herrn Schwager in Verhandlung zu treten; denn diese verhaßte Familie
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