58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
erkennen, während hingegen er unter dem Hut hervor alles genau sehen konnte.
Müller hatte nur einen kurzen Blick auf ihn geworfen und wollte vorüber; da aber machte der im Gras Liegende eine Bewegung, doch ohne den Hut vom Gesicht hinweg zu nehmen.
„Alle Teufel! Sehe ich recht?“ rief er aus.
Müller blieb stehen. Es befand sich kein Mensch in der Nähe, folglich mußten diese Worte ihm gelten.
„Meinen Sie mich?“ fragte er.
Der Fremde hatte französisch gesprochen; jetzt antwortete er in deutscher Sprache:
„Natürlich! Wen denn sonst!“
Müller erschrak. Sollte er von irgendeinem beliebigen Menschen erkannt worden sein? Fatal! Er behielt also die französische Sprache bei:
„Wer sind Sie denn?“
„Kennt mich der Mensch nicht!“
„Nehmen Sie den Hut vom Gesicht weg!“
„Komm her, und nimmt ihn selber weg! Es ist nur der Überraschung wegen.“
„Hol Sie der Teufel! Ich weiß nicht, was Sie wollen!“
Er wollte weitergehen, da aber rief der andere, doch ohne den Hut noch zu entfernen:
„Richard, alter Junge! Das wirst du doch gerade mir nicht antun! Komm her! Mach mir den Spaß, und nimm den verteufelten Hut weg, damit sich meine Seele an deinem Gesicht weiden kann!“
Er zögerte. Ein Bekannter mußte es sein, darüber gab es gar keinen Zweifel. Er sprang also über den Straßengraben, bückte sich über den noch immer in dem Gras Liegenden und schob den Hut zur Seite. Sein Erstaunen war allerdings ebenso groß wie freudig.
„Hohenthal! Arthur! Wer hätte das vermutet!“
„Ich dachte auch nicht, dich gleich hier zu treffen“, antwortete der angebliche Weinhändler, in dem er endlich aufsprang.
„Du hier im Gras! So unverhofft!“
„Und du hier mit dem Buckel! Mensch, Kamel oder vielmehr, Dromedar, denn du hast ja nur einen Höcker! Wie siehst du aus!“
„Sehr distinguiert! Nicht wahr?“
„Ja. Dieses Haar, diese Farbe! Man könnte sich totlachen, wenn man nicht da in der Nähe Franzosen wüßte!“
„Aber doch scheint meine Verkleidung höchst unzureichend zu sein.“
„Warum?“
„Weil du mich sofort erkannt hast.“
„Das bilde dir nicht ein! Ich wußte, daß du auf Schloß Ortry haust; ich wollte dich besuchen. Daher kam es, daß ich dich erkannte, sonst aber nicht.“
„Mich besuchen?“
„Ja, natürlich.“
„Du kommst aus Paris?“
„Über Metz.“
„Wo hast du Station?“
„An letzterem Ort.“
„Welche Geschäfte?“
„Sehr gute. Und du?“
„Auch nicht schlecht.“
„Ich komme, um dir einige Mitteilungen zu machen, welche für dich von allergrößter Wichtigkeit sind. Hast du Zeit?“
„Für solche Angelegenheiten und für deine Person natürlich stets, lieber Arthur.“
„Gut! Aber wollen wir unsere Konferenz gleich hier abmachen? Gibt es keinen besseren Ort?“
„Hm!“ antwortete Müller, sich umblickend. „Wir müssen unbeobachtet sein!“
„Wenigstens unbelauscht!“
„Na, da an der Schenke ist eine Laube. Nicht?“
„Ja, ein Glas Wein oder Bier käme mir recht. Ich bin durstig gelaufen.“
„So komm!“
Sie schritten auf die Schenke zu. Da kam eine Equipage daher gerollt. Marion saß ganz allein in derselben. Müller blieb stehen und grüßte höflich. Hohenthal tat infolgedessen dasselbe.
„Himmelelement!“ sagte er, als der Wagen vorüber war. „Das war eine Schönheit!“
„Nicht wahr?“
„Pikfein! Wer das haben könnte!“
Er schnalzte mit der Zunge, wie ein Weinkenner, welcher einen guten Tropfen geschmeckt hat.
„Du hast doch stets Appetit!“ lachte Müller.
„Du nicht auch? Nein, du lebst nur für den Dienst des Königs, nicht aber für den viel süßeren der Frauen. Wer übrigens war diese Fee?“
„Die Baronesse von Sainte-Marie.“
„Auf Ortry etwa, deine junge Herrin also?“
„Nein, sondern die Schwester meines Zöglings.“
„Sapperlot! Unverheiratet?“
„Ja.“
„Verlobt?“
„Nein.“
„Verliebt?“
„Nein.“
„Du, Kamerad, zeige mir einmal deine Hand.“
„Hier! Warum?“
„Den Puls!“
„Ach so! Brennt es?“
Hohenthal fühlte mit ernster Miene den Puls und sagte dann in kläglichem Ton:
„Aus dir wird kein Mensch gescheit. Ich wollte, ich hätte meinen Martin da; der versteht es besser.“
„Allerdings, ein gelungener Kerl!“
Sie hatten jetzt die Laube erreicht und traten ein. Der Wirt fragte nach ihrem Wunsch, erfüllte denselben und entfernte sich dann. Hohenthal tat einen tiefen Zug und fragte nachher in scherzhaftem Ernst:
„Die war
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