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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erhob.
    „Herr, was suchen Sie hier?“ fuhr er ihn an.
    „Zaunlattenspitzen“, antwortete Schneffke.
    „Und die brechen Sie sich ab?“
    „Ja.“
    „Zu welchem Zweck denn?“
    „Um auf die Erde zu fallen. Das sehen Sie ja.“
    „Mann, Sie scheinen mir so eine Art von Strolch zu sein.“
    „Freilich! Und zwar von der allerschlechtesten Sorte.“
    „Donnerwetter! Wollen Sie sich über mich lustig machen?“
    „Nicht übermäßig viel, denn Sie sehen mir wirklich gar nicht sehr lustig aus. Wie heißen Sie denn eigentlich?“
    „Ah, das ist stark! Dieser Mensch kommt her, um Zaunlatten abzureißen, und fragt mich nach meinem Namen! Wie ist denn der Ihrige, he?“
    „Der meinige ist einigermaßen selten. Ich bin der Tiermaler Hieronymus Aurelius Schneffke aus Berlin.“
    „Schön! Was haben Sie als Maler denn hier am Zaun zu schaffen?“
    „Das habe ich Ihnen ja bereits gesagt. Aber nun bitte ich, auch Ihren Namen erfahren zu dürfen.“
    „Das finde ich nicht für nötig. Ich gebe meine Karte nur ganz anständigen Menschen.“
    „Und ich bin kein solcher?“
    „Jedenfalls nicht! Sie haben mehr das Aussehen eines Bummlers als eines Malers und daher ziehe ich es vor, meinen Namen als mein ausschließliches Eigentum zu betrachten.“
    „Daran tun Sie sehr recht, da Ihr Name nicht viel wert zu sein scheint. Wer einen guten Namen hat, braucht ihn nicht zu verschweigen.“
    Das war eine sehr kräftige Zurechtweisung. Sie traf den Amerikaner wie ein Dolchstoß.
    „Herr, das wagen Sie mir zu sagen!“ rief er. „Soll ich etwa –“
    Er hielt inne; ein warmes, weiches Händchen legte sich auf seine Schulter. Die Engländerin war herbeigekommen.
    „Wen haben Sie da, Monsieur?“ fragte sie.
    „Oh, einen Menschen, der es gar nicht verdient, daß man, nun, daß man –“
    Und abermals konnte er nicht ausreden, denn sie unterbrach ihn plötzlich:
    „Wen sehe ich da! Das ist ja unser guter Herr Hieronymus Schneffke aus Berlin!“
    Der Maler zog mit möglichster Grandezza den Hut, machte eine ehrerbietige Verbeugung und sagte im höflichsten Ton zu der vor ihm stehenden Engländerin:
    „Ja, ich bin es noch, meine Gnädige, freue mich ungemein, Sie zu sehen.“
    Er betonte dabei das Wörtchen ‚noch‘ so sehr, daß es auffallen mußte.
    „Noch?“ fragte sie. „Wie meinen Sie das, mein hochgeehrter Herr Schneffke?“
    „Es gibt Leute, welche das heute nicht mehr sind, was sie gestern waren.“
    Sie lächelte und fragte:
    „Ja, die Verhältnisse verändern sich oft plötzlich.“
    „So daß aus armen Gouvernanten recht reiche und vornehme Damen werden.“
    „Warum nicht! Aber, Herr Schneffke, lassen Sie sich gratulieren, daß Sie jenen Unglückszug versäumten.“
    „Ich danke! Bei dem fortwährenden Pech, welches mir angeboren zu sein scheint, befände ich mich heute jedenfalls unter den ewig Seligen.“
    „Haben Sie Ihr Ziel glücklich erreicht?“
    „Ja, danke. Ich habe dort sogar ein Glück gefunden, welches ich kurz vorher anderwärts vergebens suchte.“
    Sie ahnte sofort, was er meinte. Darum fragte sie in freudigem Ton:
    „Verstehe ich Sie recht, so darf ich wohl von ganzem Herzen nochmals gratulieren?“
    „Hm! Was meinen Sie, meine Gnädige?“
    „Sie sind – verlobt.“
    „Donnerwetter! Ja, Sie haben es erraten.“
    „Ah, schön! Wie heißt sie?“
    „Marie.“
    „Ein hübscher, poetischer und auch frommer Name!“
    „Ja, hübsch ist sie, poetisch ebenso und fromm auch. Sie hat so ziemlich meine elegante und auffallende Statur. Wir passen ausgezeichnet zueinander.“
    Da stieß der Amerikaner, der sich nicht zu halten vermochte, ein lautes Lachen aus.
    „Und das nennen Sie hübsch?“
    „Ja; warum nicht?“ fragte Schneffke.
    „Nun, betrachten Sie sich doch einmal genauer!“
    Die Dame glaubte, daß sich der kleine Maler in Wirklichkeit beleidigt fühlen werde, darum sagte sie in bittendem Tone:
    „Monsieur Deep-hill!“
    Da horchte Schneffke auf.
    „Was?“ fragte er. „Deep-hill heißt dieser Herr?“
    „Ja.“
    „Er hat mir seinen Namen verschwiegen. Es wäre jedenfalls klüger gewesen, ihn mir zu nennen, das werde ich ihm doch noch beweisen. Leben Sie wohl, gnädiges Fräulein!“
    Er ging, ohne sich umzusehen. Aber als er dann um die Ecke gebogen war, blieb er einen Augenblick stehen und murmelte:
    „Wunderbar! Höchst wunderbar! Diese Ähnlichkeit! Sollte er es wirklich sein! Das wäre ein Zufall oder eine Gottesschickung, wie es besser keine geben könnte!

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