58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
und glücklich machen könnte?“
„Nun, was?“
„Wenn ich Sie begleiten dürfte. Aber so eine Dame wie Sie wird sich mit so einem armen Kräutersammler nicht abgeben wollen. Nicht wahr?“
„Wo denken Sie hin? Das war es ja gerade, um was ich Sie bitten wollte.“
„Wirklich? Dann hätten sich unsere Wünsche ja recht schön begegnet!“
„So wie immer. Aber werden Sie denn auch Zeit haben?“
„So viel Sie wünschen. Ich werde es meinem Herrn melden, und dann wird alles abgemacht sein.“
„Gut. Werden Sie mit dem Vormittagszug fahren können?“
„Das versteht sich ganz von selbst.“
„So treffen wir uns auf dem Bahnhof. Wie freue ich mich, meine Schwester wieder zu sehen! Es sind Jahre vergangen, seit wir uns trennten. Wissen Sie, daß ich ihr von Ihnen geschrieben habe, von Ihnen und dem Löwenzahn? Ich dachte, sie könne sich erkundigen; sie wohnt in Berlin.“
Er horchte auf.
„In Berlin?“ fragte er. „Ist sie da verheiratet?“
„O nein; sie ist Gesellschafterin gerade wie ich. Es geht ihr sehr gut. Ihre Herrin ist eine Gräfin von Hohenthal.“
„Von Hohen – Hohenthal?“ fragte er, indem er Mühe hatte, seinen Schreck zu verbergen.
„Ja. Ihr Sohn ist Husarenrittmeister.“
„So, so! Darf ich ihren Namen wissen?“
„Madelon heißt sie. Also Sie kommen gewiß?“
„Ganz gewiß.“
„Dann will ich wieder gehen. Marion wird mich erwarten.“
Sie erhob sich und reichte ihm die Hand.
„Wollen Sie allein gehen?“ fragte er.
„Ja. Ich nehme morgen so viel von Ihrer Zeit in Anspruch, daß ich Sie nicht auch noch heute berauben will. Leben Sie wohl, mein bester Herr Schneeberg!“
„Adieu, Fräulein Nanon!“
Sie trennten sich; sie ging, und er blieb zurück. Als sie sich entfernt hatte, schüttelte er den Kopf und sagte:
„Na, na, was soll daraus werden! Hohenthals Madelon ist ihre Schwester! Die kennt mich ganz genau; sie wird gleich ahnen, weshalb wir uns hier befinden. Was ist da zu tun? Es wird am besten sein, ich frage den Herrn Rittmei – wollte sagen, den Herrn Doktor Müller. Was der sagt, das wird gemacht. Auf mich allein kann ich es nicht nehmen.“
Er nahm seinen Sack auf die Achsel und schritt davon. Er war allerdings keineswegs wirklich verpflichtet, für Doktor Bertrand Pflanzen zu sammeln; oft aber, wenn es seine eigenartigen Geschäfte zuließen, brachte er offizielle Kräuter mit heim. Auch heute sagte er sich, daß er Muße zum Sammeln solcher Tees habe, und so verweilte er noch längere Zeit in Wald und Feld. Es war bereits weit über Mittag, als er mit den Ergebnissen seines Botanisierens nach Thionville kam. Er begab sich, als er dieselben abgeliefert hatte, nach dem Gasthof, in welchem damals die Seiltänzer logiert hatten und in dessen kleinem Zimmer er den Auftritt mit dem nachher verunglückten Mädchen erlebt hatte.
Als er quer über die Straße hinüberschritt, erblickte er Müller, seinen Herrn, welcher langsam, mit den Schritten eines Spaziergängers, dahergeschlendert kam. Ein kurzer Wink zwischen beiden genügte zum Verständnis, daß Fritz mit dem jetzigen Erzieher zu sprechen habe. Der erstere trat in den Gasthof ein. In dem Gastzimmer befand sich kein Mensch; dennoch aber begab er sich nach dem erwähnten kleinen Stübchen, um vor etwa noch ankommenden Gästen ungestört zu sein. Müller war so vorsichtig, die Straße vollends hinaufzugehen und durch zwei Nebengassen zurückzukehren. Auch er begab sich nach dem hinteren Zimmerchen, da er in der vorderen Stube niemanden erblickte. Gerade als er dort eintrat, erhielt Fritz die bestellte Flasche Wein. Er grüßte, als ob er den letzteren nicht kenne, und bestellte sich ebenso Wein. Als derselbe gebracht worden war, und die Kellnerin sich entfernt hatte, fragte er in halblautem Ton:
„Du hast mir etwas zu sagen?“
„Ja, Herr Doktor.“
„Etwas Wichtiges?“
Fritz zuckte die Achsel, machte ein schelmisches Gesicht und antwortete:
„Hm! Für mich vielleicht, für Sie aber wohl weniger. Es ist eine private Angelegenheit.“
„So, so! Laß doch einmal hören!“
„Ich brauche sehr notwendig einen kurzen Urlaub.“
„Weshalb?“
„Na, weil der Pflegevater gestorben ist!“
„Der Pflegevater?“ fragte Müller erstaunt. „Doch wohl nicht der deinige?“
„Nein. Zweimal stirbt bekanntlich keiner. Ich meine nämlich den Pflegevater von Mademoiselle Nanon.“
„Ah! Das verstehe ich nicht!“
„Nun, sie hat in der Gegend von Etain einen Pflegevater, welcher
Weitere Kostenlose Bücher