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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es, wo sie gar zu gern verweilte. Es war der Ort, an welchem sie zum ersten Mal mit Fritz ausgeruht hatte. Und wunderbar. Sooft Fritz in den Wald kam, er streckte sich gewiß nicht eher in das Moos oder in die Heide nieder, als bis auch er dieses Fleckchen erreicht hatte.
    So strich sie leise und langsam zwischen den Bäumen dahin und trällerte vor sich hin:
    „Fern im Süd', das schöne Spanien,
Spanien ist mein Heimatland,
Wo die Schatten der Kastanien,
Rauschen an des Ebros Strand,
Wo die Mandeln rötlich blühen,
Wo die süße Traube winkt,
Wo die Rosen schöner glühen
Und das Mondlicht goldner blinkt.“
    Sie blieb stehen und lauschte. Kein Echo! Und sie war doch eine so große Freundin des Echos; sie hörte es so gern. Sie setzte also ihren Weg fort und sang weiter:
    „Längst schon wandr' ich mit der Laute
Traurig hier von Haus zu Haus,
Doch kein einzig Auge schaute
Freundlich noch zu mir heraus.
Spärlich reicht man mir die Gaben;
Mürrisch heißet man mich gehn.
Ach, mich armen, braunen Knaben
Will kein einziger verstehn!“
    Sie hielt abermals inne, um zu lauschen. Über ihr allerliebstes Gesichtchen glitt ein glückliches Lächeln, denn jetzt, ja jetzt ließ sich ein Echo hören. Aber kam das von einem Berg oder von einer Felswand zurück? Wohl nicht, denn die Töne lagen um eine volle Oktave tiefer, und die Worte waren auch ganz andere. Gibt es denn auch Echos, welche nicht von Felswänden zurückgeworfen werden, und die ihre eigenen Töne und Worte haben? Jedenfalls, denn das Echo, welches sich jetzt hören ließ, sang:
    „Als beim letzten Erntefeste
Man den großen Reigen hielt,
Habe ich das Allerbeste
Meiner Lieder aufgespielt.
Doch als sich die Paare schwangen
In der Abendsonne Gold,
Sind auf meine dunklen Wangen
Heiße Tränen hingerollt!“
    Eine volle, kräftige Baritonstimme sang diese Verse. Nanon lauschte, und erst als das letzte Wort verklungen war, setzte sie sich wieder in Bewegung, aber schneller als vorher. Sie kam dem erwähnten Plätzchen immer näher, und als sie es erreichte, da – da lagen zwei im Moos, nämlich der volle Kräutersack und Fritz, der jetzige Besitzer dieses medizinisch und offiziell höchst wichtigen Gegenstandes.
    Er hatte natürlich nicht die mindeste Ahnung, daß außer ihm noch irgendwer im Wald sein könne; ebensowenig hatte er jemand singen gehört. Er lag eben da und blickte zum Himmel auf wie einer, der sich auf der Erde sehr wohl befindet und dies jenen, die da oben wohnen, von ganzem Herzen auch wünscht.
    „Guten Morgen, Herr Schneeberg!“ erklang es hinter ihm.
    Wäre es möglich, daß er sich getäuscht hätte? Wunderbar! Er sprang auf und tat, also ob er im höchsten Grad überrascht worden sei.
    „Ah, Sie sind es!“ meinte er dann beruhigt. „Guten Morgen, Mademoiselle Nanon. Ich dachte, ich wäre ganz allein.“
    „Darum haben Sie auch so schön gesungen.“
    „Schön? Wohl kaum leidlich, denn ich habe niemals Gesangunterricht gehabt.“
    „Aber Ihre Stimme ist hübsch.“
    „Oh, wie eben die Stimme eines Kräutermannes sein kann.“
    „Sie sind sehr bescheiden. Und was Sie da sangen, das war mein Lieblingslied.“
    „Wirklich? Das hätte ich wissen sollen.“
    Und doch hatte er es gewußt, denn sie hatte es ihm bereits einige Male gesagt, ganz mit denselben Worten wie jetzt.
    „Ich habe sogar, ehe ich Sie hörte, auch zwei Strophen desselben Liedes gesungen.“
    „Drum! Drum hörte ich so etwas aus der Ferne, gerade wie wenn es vom Himmel käme. Es war so schön.“
    „Gehen Sie! Sie schmeicheln.“
    Er legte die Hand auf das Herz und beteuerte eifrig:
    „Gewiß nicht! Ich sage die reine Wahrheit. Wenn Sie singen, so klingt es ganz anders als bei anderen Leuten. Es muß bei Ihnen da drin ganz anders beschaffen sein. Viel zierlicher und akkurater.“
    Dabei deutete er auf seine Brust. Sie war ihm jetzt ganz nahe gekommen und reichte ihm ihr kleines weißes Händchen.
    „Wie weich und fein“, sagte er, indem er es leise und vorsichtig ergriff. „Gerade wie seidener Samt, aber von der besten und allerteuersten Qualität. So ein Händchen ist doch etwas recht Wunderbares.“
    „Wieso, Herr Schneeberg?“
    „Es ist ein Meisterstück aus Gottes Hand und muß doch so viele irdische, dumme Arbeit vornehmen. Ein solches Händchen sollte immer ruhen dürfen. Es sollte nur da sein zum Entzücken dessen, der ein Recht darauf hat. Meinen Sie nicht auch?“
    „Sie sprechen stets in einer Weise, daß es einem leid tut, das Geringste dagegen

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