58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Herr Doktor. Aber wie kommt es, daß Sie sich jetzt in der Stadt befinden?“
„Ich kam, um beim Buchhändler einige Bücher zu kaufen. Horch! Es scheinen Gäste gekommen zu sein.“
Die Kellnerin hatte die nach dem großen Zimmer führende Tür nicht fest zugemacht, sondern nur angelehnt. Die beiden hörten Schritte, und eine Stimme fragte:
„Ist der Wirt zu Hause?“
„Ja“, antwortete das Mädchen.
„Gib mir einen Absinth und rufe ihn. Dich aber brauchen wir nicht dabei.“
Das Mädchen ging.
„Ah, eine heimliche Unterredung, wie es scheint“, flüsterte Müller.
Er trat an die Tür, warf einen Blick durch die Spalte und gewahrte einen Mann, dessen Gesicht durch einen dunklen Vollbart verhüllt war. Er trug ganz gewöhnliche Kleidung, doch war der Eindruck, den er machte, ein martialischer. Er hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und trank von dem Schnaps, den ihm das Mädchen gegeben hatte, ehe es aus der Stube gegangen war.
Müller und Fritz verhielten sich unwillkürlich ganz schweigsam. Es währte eine ziemliche Zeit, bis der Wirt eintrat.
„Du läßt mich lange warten“, sagte der Mann zu ihm. „Und meine Zeit ist kurz bemessen.“
„Kann ich dafür? Was gibt's?“
„Versammlung.“
„Ach so. Dann hast du allerdings gehörig zu laufen. Versammlung für alle?“
„Nein, nur die Anführer sollen kommen.“
„Wann?“
„Punkt elf Uhr.“
„In den Ruinen?“
„Nein; das ist nicht mehr möglich, seit wir damals belauscht worden sind. Möchte nur wissen, welchem Subjekte es gelungen ist, sich einzuschleichen. Einen Verdacht hat man.“
„Ah! Wirklich? Wer?“
„Es läuft ein fremder Kerl den ganzen Tag im Wald herum, um Kräuter zu sammeln. Man hat ihn auch bei den Ruinen gesehen. Vielleicht ist der es gewesen.“
Der Wirt schüttelte den Kopf und antwortete:
„Der? Das fällt ihm gar nicht ein.“
„Kennst du ihn?“
„Ja. Er ist der Pflanzensammler von Doktor Bertrand. Ich kenne ihn genau, da er bei mir viel verkehrt.“
„Was ist es für ein Mensch?“
„Der ist ebenso dumm, wie er lang und stark ist. Saufen kann er wie ein Loch. Aber sonst ist ganz und gar nichts mit ihm. Er tut das Maul nicht auf, spielt weder Billard noch Karten; der hat für nichts Sinn als für seinen Kräutersack.“
„Das ist sein Glück. Wollte er seine Nase in unsere Angelegenheiten stecken, so würde sie ihm bald breitgedrückt werden. Woher stammt er?“
„Aus Genf, überhaupt aus der französischen Schweiz, glaube ich. Um den brauchen wir uns nicht zu grämen.“
„Schön. Der Kapitän hat ihm mißtraut und will ihn beobachten lassen. Ich werde ihn also beruhigen.“
„Das kannst du getrost tun. Also in den Ruinen kommen wir nicht zusammen? Folglich beim alten Turm?“
„Auch nicht. Wo denkst du hin. Wie können wir so etwas wagen! Hast du denn die Kerls vergessen, welche damals das Grab geöffnet haben?“
„Ah, richtig. Ihr hättet sie erschießen sollen.“
„Pah! Du hast gut reden. Der Kapitän hatte den Klingeldraht falsch angebracht; es läutete zu spät. Wir waren nur drei Personen am Wachen, und als wir kamen, ging eben der Spektakel los, mit dem Donnern und Blitzen.“
„Diese Kerls mögen schön erschrocken sein.“
„Und wie! Der eine riß sofort aus. Der schrie etwas in einer fremden Sprache, welche der Teufel vielleicht versteht, ich aber nicht.“
„Habt ihr keinen erkannt?“
„Nein. Es waren drei. Also einer riß aus, aber die beiden anderen blieben furchtlos stehen. Natürlich kam der Kapitän dazu, von den Glockenzeichen herbeigerufen. Er befürchtete, daß diese zwei bleiben würden, um zu lauschen, was nun von unserer Seite geschehen werde; darum mußten wir uns vollständig still verhalten. Und wirklich. Ein Rascheln, welches später zu hören war, überzeugte uns, daß sie sich zwar entfernt hatten, aber wiedergekommen seien.“
„Schlauköpfe.“
„Ja. Ich möchte wissen, wer es gewesen ist. Erst am Morgen entfernten sie sich, und von da an hatten wir Gelegenheit, das Loch wieder zuzuwerfen und die Zerstörung, welche sie angerichtet hatten, zu beseitigen.“
„Hoffentlich aber ist der Alte so klug gewesen, das Arrangement verändern zu lassen!“
„Jedenfalls. Er schweigt natürlich darüber; aber ich vermute, daß einige Kameraden, welche ich mehrere Tage lang nicht zu Gesichte bekam, heimlich bei ihm arbeiten mußten.“
„So bleibt uns nur noch das Trou du bois, wo wir uns versammeln könnten?“
„Jetzt ja. Also heute abend
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