58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
sagte Emma, indem sie wieder Platz nahm.
Ihr gegenüber saß der Fremde, während Fritz bei Madelon Platz genommen hatte. Diese letztere konnte sich noch immer nicht das Wunder seiner Anwesenheit erklären, während er nicht wußte, wie er es sich zu deuten habe, daß das Fräulein von Königsau mitgekommen war.
„Sie sagen, daß Nanon Sie geschickt habe?“ fragte Madelon in gedämpftem Ton.
„Ja, so ist es, Fräulein“, antwortete er.
„Kennen Sie sie denn?“
„Ja, sehr gut.“
„Sind Sie etwa in Ortry gewesen?“
„Vorübergegangen bin ich. Werden Sie hingehen?“
„Auf der Rückreise, ja.“
„Dann bin ich gezwungen, Ihnen ein Geheimnis mitzuteilen. Wollen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, es zu verschweigen?“
„Gern!“
„Herr Rittmeister von Königsau ist dort.“
„Ich weiß es bereits.“
„Wirklich? Wer hat es Ihnen gesagt?“
„Fräulein Emma.“
„Wissen Sie auch die Gründe seiner Anwesenheit dort?“
„So ziemlich.“
„Um Gottes willen!“
„Haben Sie keine Sorge! Ich halte es mit Deutschland, lieber Herr Wachtmeister!“
„Pst! Ich bin nicht Wachtmeister, sondern Pflanzensammler! Die Hauptsache ist, daß Mademoiselle Nanon keine Ahnung haben darf, wer ich bin, und wer der Herr Rittmeister ist!“
„Darf sie auch nicht wissen, daß wir uns kennen?“
„Auf keinen Fall!“
„Ich habe sie nach dem Bahnhof von Thionville bestellt.“
„Sie wird Sie dort erwarten.“
„Und gleich mitfahren?“
„Ja. Ich werde das Vergnügen haben, Sie zu begleiten.“
„Ah! Schön! Aber wie kommt das?“
„Mademoiselle Nanon war so gütig, sich meinem Schutze anzuvertrauen.“
„Das sind Rätsel, auf deren Lösung ich gespannt bin.“
„Ich hoffe, daß diese Lösung nicht übermäßig lange auf sich warten lassen wird. Aber bitte sagen Sie mir, was die Gegenwart des gnädigen Fräuleins zu bedeuten hat.“
„Das ist ein Rätsel für Sie, auf dessen Lösung Sie ebenso warten müssen wie wir.“
„Schön! Ich füge mich. Aber will sie nach Ortry?“
„Ich glaube.“
„Sapperment! Das ist gefährlich. Weiß der Herr Rittmeister, daß sie kommt?“
„Kein Wort!“
„So ist das – verzeihen Sie mir – eine Unvorsichtigkeit. Ah, dieser Kerl macht sich an sie?“
„Wer ist er?“
„Ein Südländer, der die Deutschen haßt, weil seine Frau eine Deutsche war und ihm mit zwei Kindern davongelaufen ist.“
„O weh! Der Arme!“
Sie warf dabei einen mitleidigen Blick zu dem hinüber, von welchem die Rede war, was dem guten Fritz nicht gar sehr gefallen wollte.
Der Fremde hatte bisher Emma gemustert. Ihre Erscheinung machte einen augenblicklichen, unmittelbaren und tiefen Eindruck auf ihn. Sie war schön. Sie glich ganz der Figur eines Germaniabildes. Sie saß da so rein, so mild und doch so selbstbewußt und kräftig. Er konnte das Auge nicht von ihr wenden.
Und ihr erging es mit ihm ebenso. Dieses Eigenartige in seiner Erscheinung frappierte sie. Er hatte etwas Leidendes und doch auch wieder Trotziges an sich und war dabei ein selten schöner Mann. Auf sein Alter hin taxierte sie ihn gar nicht. Ein Mann fragt sich beim Anblick einer Dame fast stets, wie alt ist sie. Eine Dame tut dies einem Herrn gegenüber nicht. Wenigstens nicht sogleich. Sie läßt das Wesen und nicht das Alter auf sich einwirken. Ein junger Backfisch kann sich unsterblich in einen silberhaarigen Mann verlieben.
So trafen und begegneten sich ihre Blicke, bis Emma sich an Madelon mit der Frage wandte:
„Wie heißt die nächste Station?“
„Wellen, mein Fräulein“, antwortete schnell der Fremde. „Über Karthaus sind wir bereits hinweg.“
„Ich danke Ihnen Monsieur!“
Sie verneigte sich bei diesen Worten leicht. Er zog sogleich sein Täschchen und reichte ihr eine Visitenkarte. Sie las den Namen: „Benoit Deep-hill, New Orleans.“
Auch sie griff in ihr Täschchen. Aber durfte sie ihren wirklichen Namen merken lassen? Es war leicht möglich, daß dieser Herr nach Thionville ging oder gar mit Ortry in Beziehung stand. Sie hatte noch die Karte einer Freundin, einer Engländerin, bei sich und reichte ihm diese hin. Er las: „Miß Harriet de Lissa, London.“
„Ah, Sie sind Engländerin, Mademoiselle?“ fragte er, sichtlich erfreut über diese Entdeckung.
„Ja“, antwortete sie, indem sie leicht errötete.
„Das weckt sehr liebe Erinnerungen in mir. Sooft ich in London war, habe ich mich der wahrhaft großartigsten Gastfreundschaft Ihrer Landsleute zu erfreuen
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