59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
mir aber vollständig unmöglich, Sie als feindliche Wesen zu betrachten. Darum will ich Ihnen mitteilen, daß ich zwei preußische Ulanenoffiziere gesehen habe.“
„Was wird das bedeuten?“
„Daß in wenigen Minuten Ihnen Gelegenheit geboten wird, den tapfersten Ulanenoffizier kennenzulernen. Ich habe ihn mit Hilfe meines Glases erkannt. Ein Freund von mir, Herr Richard von Königsau, kommt, diesen Herren da unten eine Lehre zu geben.“
„Königsau –?“ hauchte sie.
Sie war sehr bleich geworden.
„Ja. Wenn ich recht vermute, befindet er sich nicht allein in der Nähe. Bitte, treten Sie in das Eckzimmer, so werden Sie Zeugen eines sehr interessanten Kampfes sein. Ich aber muß nach unten.“
Er eilte mit seinem Begleiter fort.
Ella legte den Arm um Marions Schulter.
„Du bist erschrocken?“ fragte sie liebevoll.
„Sehr!“
„Nicht wahr, Königsau hieß jener Offizier, den du in Dresden erblicktest?“
„Ja. Und dessen Fotografie ich besitze.“
„Ob er es wirklich ist?“
„Jedenfalls. Der Rittmeister wird kein schlechtes Fernrohr besitzen, denke ich.“
„So werden wir ihn zu sehen bekommen.“
Marion strich sich mit der Hand über die Stirn und antwortete nicht. Ella aber meinte:
„Wirst du nicht mit ihm sprechen können?“
Da antwortete das schöne Mädchen:
„Es war ein Traum, ich aber gehöre der Wirklichkeit. Seine Anwesenheit kann keinen Einfluß auf mich haben.“
Da hörte man das Signal, welches auch Königsau mit den Seinigen vernommen hatte. Einige Augenblicke später kam der General herbei.
„Wo seid Ihr? Ich habe Euch gesucht“, fragte er. „Die Reiter ziehen sich zurück. Der Kampf scheint ein Ende zu haben.“
„O nein“, entfuhr es Ella.
Das fiel dem General auf.
„Warum nicht? Weißt du es anders?“ erkundigte er sich.
„Liebe Marion, wollen wir es ihm nicht lieber sagen?“ fragte da die Freundin.
„Ja. Der General wird es ja unbedingt erfahren.“
„Was?“ fragte er neugierig.
„Es sind preußische Ulanen im Wald.“
„Doch nicht!“
„Ja. Der Rittmeister Hohenthal sagte es.“
„Nun, dann wehe unseren Kürassieren. Dürfte ich sie doch warnen.“
„Würdest du das?“
„Unbedingt, wenn ich dabei nicht mein Leben riskierte. Ich würde als Spion erschossen werden.“
„Tue es um Gottes willen nicht, lieber Papa!“
„Nein, nein. Aber, wo befinden sich die Ulanen?“
„Sie sind fort; man sieht sie nicht mehr.“
Da waren wieder Schritte zu vernehmen. Rittmeister Hohenthal trat ein. Er erblickte den General und fragte:
„Die Damen haben Ihnen Meldung gemacht?“
„Ja.“
„Es tut mir leid, daß es mir nicht vergönnt ist, Ihren Patriotismus zu schonen, Exzellenz. Es ist eben Krieg. Übrigens werden Sie jetzt, wenn ich mich nicht irre, ein seltenes Reiterstück zu sehen bekommen.“
„Sie haben bereits ein unvergleichliches geliefert.“
„Oh, Königsau kommt! Das ist etwas ganz anderes.“
„Königsau? Diesen Namen habe ich einmal gehört. So hieß ein preußischer Offizier, welcher sich der außerordentlichen Protektion Ihres Marschalls Blücher erfreute.“
„Der, welchen ich meine, ist der Enkel dieses Veteranen. Sie verzeihen meine Gegenwart hier. Von hier aus kann ich den Plan besser überblicken, als von irgendeinem anderen Zimmer aus.“
„Bitte! Sie sind Kommandant. Die Belagerer haben sich zurückgezogen. Man wird das Schloß zernieren und nach weiteren Truppen senden.“
„Das steht zu erwarten; aber sie werden in der Ausführung dieses Vorhabens leider gestört werden. Hören Sie das Pferdegetrappel im Parterre?“
„Ja. Sie werden doch nicht –“
Der General blickte den Rittmeister erschrocken an.
„Was, Exzellenz?“ fragte dieser.
„Sie werden doch nicht einen Ausfall machen?“
„Gewiß werde ich das.“
„Welch ein Wagnis! Sie dürfen die Deckung, die Sie hier finden, nicht aufgeben.“
„Warum nicht? Ah! Exzellenz, da drüben!“
Er deutete mit der Hand durch das Fenster. Der General blickte hinüber.
„Bei Gott! Preußische Ulanen!“
„Gardeulanen. Die Tête läßt sich ganz vorsichtig blicken. Jetzt ist meine Zeit gekommen. Ich muß die Aufmerksamkeit des Feindes auf mich lenken, damit Königsau sich unbemerkt nahen kann. Auf Wiedersehen!“
Er eilte fort, hinab.
„Gott, mein Gott“, klagte der General. „Und ich darf unseren Reitern kein Zeichen geben! Es will mir das Herz abdrücken!“
Da schmetterte ein Signal durch die Räume des Hauses.
„Was bedeutet
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