59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
versucht hätten, sich dem Schloß zu nähern. Als aber das Feuer auf sie eröffnet wurde, zogen sie sich zurück.
Sie versuchten es dann auf der anderen Seite, doch auch da waren die Deutschen wachsam. Man hörte bald hier, bald dort einen Schuß fallen. Königsau, dessen Vorposten einen Kreis um das Schloß bildeten, zog dieselben mehr an sich, um keine Lücken zu bilden, zwischen denen die Angreifer einzudringen vermochten. Die Spahis folgten, und als später der Major auskundschaften ging, konnte er sich überzeugen, daß außerhalb seiner Vorposten sich ein feindlicher Kreis gebildet hatte, der es ihm unmöglich machen sollte, zu entkommen.
Es fiel ihm gar nicht ein, an Flucht zu denken, vielmehr freute er sich darüber, daß der Feind ihn hier festhalten wolle. Die Verstärkung war ihm ja von Hohenthal bestimmt in Aussicht gestellt worden.
Es gab keinen Mondschein, und man vermochte selbst im freien Feld kaum einige Schritte weit zu sehen. Hinter dem Dorf zogen sich ein Erbsen- und ein Kartoffelfeld nebeneinander hin. Sie waren durch einen mit Gras bewachsenen Rain voneinander getrennt. Ein aufmerksamer Beobachter hätte, wenn er sich in der Nähe befand, hier eine Bewegung bemerken können. Zwei menschliche Körper schoben sich mit äußerster Vorsicht längs des Rains hin.
Da fiel vom Wald her ein Schuß.
„Wieder einer!“ flüsterte eine der beiden Gestalten.
Der, welcher vorankroch, hielt inne, richtete den Kopf zurück und antwortete ebenso leise:
„Es ist ganz gewiß so, wie ich sagte, unsere Husaren sind eingeschlossen. Nicht?“
„Ganz meine Meinung, Herr Feldwebel.“
„Schön! Aber mir sollen sie doch keinen Riegel vorschieben; das ist so gewiß wie Pudding. Vorwärts!“
Sie verfolgten ihre Richtung, bis sie an das Ende des Rains gelangten. Dieser stieß an den Wald.
„Jetzt links am Waldrand hinauf!“ kommandierte der, welcher Feldwebel genannt worden war.
Er war von sehr kurzer, außerordentlich dicker Gestalt, schien aber trotzdem eine ungemeine Behendigkeit zu besitzen.
Es dauerte eine ziemliche Weile, bis der Wald eine Spitze bildete, hinter welcher sich eine Straße vom Schloß her verlor. Es war dieselbe, auf welcher heute Oberst von Rallion mit seinen Gardereitern gekommen war. Eben waren die beiden Geheimnisvollen hier angekommen, so ließ sich der Huftritt eines Pferdes vernehmen.
„Halt! Nicht weiter!“ flüsterte der Dicke. „Duck dich ganz an die Erde; da sehen sie uns nicht.“
Das Geräusch kam näher.
„Es sind Leute dabei. Man hört es“, bemerkte der andere mit ganz leiser Stimme.
„Dummkopf! Das versteht sich ganz von selbst, daß ein Pferd nicht allein spazieren geht. Schweig jetzt!“
Zwei Männer nahten. Einer hatte einen weißen Paletot umhängen. Der andere war dunkel gekleidet und führte das Pferd am Zügel.
„So! Hier können Sie aufsteigen“, sagte der erstere. „Die Vorpostenkette dieser verfluchten Deutschen zieht sich dort nach rechts hinüber. Hier nun merken sie also nicht, daß sich jemand entfernt. Haben Sie den Brief gut versteckt? Das ist die Hauptsache.“
„Ja. Er steckt im Stiefelfutter.“
„Ganz wie bei mir. Mac Mahon ist ein Schlaukopf. Er gab mir zwei gleichlautende Schreiben. Kommt das eine nicht an das Ziel, so daß es vernichtet werden muß, so wird wenigstens das andere in Bazaines Hände kommen. Sie glauben also, daß Sie den Weg zu ihm noch völlig frei finden?“
„Ganz bestimmt! Ich bin überzeugt, daß der Feind heute zurückgedrängt wurde. Und selbst, wenn das nicht der Fall wäre, so würde ich mich durchzufinden wissen.“
„Gerade deshalb vertraue ich Ihnen diesen einen Brief an. Sie kennen hier ja alle Wege. Also Sie wissen nicht, ob Oberst Rallion entkommen ist?“
„Nein. Ich war so klug, den Kampf gar nicht abzuwarten. Freilich hatte ich keine Ahnung, daß Sie, Oberst, so nahe seien.“
„Machen Sie sich keine Sorge. Wenn er gefangen ist, so werden ihn die Deutschen herausgeben müssen. Mit Tagesanbruch greife ich den Feind an; dann setze ich den Ritt weiter fort, um den Brief zu übergeben. Jetzt, gute Nacht, Herr Kapitän.“
„Gute Nacht, Oberst.“
Der Reiter stieg auf; ehe er aber fortritt, meinte er:
„Und Sie halten Wort in Beziehung auf das Mädchen?“
„Gewiß.“
„Sie liefern es ab.“
„Ich gab Ihnen mein Wort. Diese Mademoiselle de Sainte-Marie werde ich mir nicht entgehen lassen.“
Der Weiße kehrte zurück, und der Reiter trabte die Straße entlang in den Wald
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